O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 455
untere Enden eingekerbt oder ausgeschweift sind; wenn man der tektonischen
Entstehung dieses Dekorationsmotivs nachforscht, dürfte man vielleicht daran
denken, daß dadurch die Befestigung der Sparren
an eingeschlagenen Pflöcken oder auf den Dach-
balkenenden (mittels umgeschlungener Taue) er-
leichtert werden sollte (Fig. 210 u. 211). Zum
Schutz der Taubenfluglöcher und Sitzstangen sbrnhoc.
in der Giebelspitze, gegen Raubzeug und Katzen, « "
sind manchmal nach außen gerichtete Holzspieße wie eine Strahlensonne an-
gebracht. An der Ecke, die gleichzeitig der —
Straße und der Sonne zugekehrt ist, ist
nicht selten eine Sonnenuhr (im Erzgebirge:
„Sonnenweiser“) befestigt, meist zwar von ; -
höchst einfacher Konstruktion (vergl. Fig. 178) zusa aluMttleranommer
und Ausstattung, bisweilen aber doch auch
Spuren früherer Verzierung aufweisend, und vor den Fenstern des Ober-
geschosses sieht man nicht selten hübsch geschnitzte
Blumenbretter mit üppig blühenden Nelkenstöcken.
Kunstformen weisen ferner manchmal die Endigungen
und Stützen der Dachrinnen auf, wobei das Schlan-
genmotiv wohl als echt germanische Überlieferung
angesprochen werden darf; auch der aus Brettern
geschnittenen ausgeschweiften oder profilierten Um-
rahmungen der Fenster (Fig. 212) und der Offnungen
in den Laubengängen ist hier zu gedenken, sowie der
ganz eigenartig gestalteten hölzernen Fenstersohlbänke 5
(Fig. 213), der ausgeschnittenen Brüstungen und gig. 212. Fensterumrah=
Hängebretter an den Laubengängen und endlich der mung auf Brettverschalung.
steinernen Schornsteinköpfe, an denen in einer Band-
umrahmung gern Buchstaben und Jahreszahl eingehauen werden. Mehr der
malerischen Bereicherung zuzuzählen sind die
Schutzdächer und kleinen Vorbauten, die man «
ingewissenGegendenregelmäßigvorderHaus- — —
thür antrifft, sowie die jederzeit am Strohdach 7
angelegte Feuerleiter des Erzgebirges, und eine —·"J"
rein malerische Staffage endlich sind jene Bündel 40%
von Kraut= und Sellerieblättern, die als Futter- ihtelschänke, Sureszen.
vorrat außen am Gebäude zum Trocknen auf- Fig. 213.
gehängt werden, sowie die mit ausgespannten
Flügeln an die Scheunenthore genagelten Raubvögel, lebhaft an die steifen
gotischen Wappenadler erinnernd, vielleicht bestimmt die Mäuse oder geflügelte
Sparrenendigung.