488 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
der einigen wenigen Erzeugnissen der bäuerlichen Töpferei Unterschlupf bietet.
Systematisch hat auf unserem Gebiete von Kunstgewerbe-Museen wohl nur
das in so vieler Beziehung mustergiltige Hamburgische Museum für Kunst
und Gewerbe gesammelt, dessen Leiter von jeher mit besonderem Spürsinn
bemüht war, eine Spezialsammlung von niederdeutschen Bauernarbeiten
zusammenzubringen. Die sächsischen Gewerbe-Museen sind wenigstens nicht
ganz achtlos an den Werken einheimischer Bauernkunst vorübergegangen, sie
enthalten manchen bemerkenswerten Gegenstand, der dem Forscher ein will-
kommenes Beweisstück werden kann.
Wie die Verhältnisse liegen, ist es nicht möglich, jetzt schon ein klares
Bild von der Eigenart und Bedeutung der bäuerlichen Kleinkunst Sachsens
zu gewinnnen. Daß sie eine große Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aufzu-
weisen hat, ist von vornherein wahrscheinlich, da so eigenartige Kulturen,
wie die wendische und die vogtländische, dem Boden des heutigen Sachsens
angehören. So lange sich nicht größere Reihen von Beispielen zusammenstellen
lassen, gilt es, vorsichtig zu sein und sich vor übereilten Urteilen zu hüten.
Man kann der Bauernkunst von verschiedenen Gesichtspunkten aus In-
teresse entgegenbringen. Der Kulturhistoriker wird sie leicht mit anderen
Augen ansehen als der Kunstforscher. Jenen werden mehr ihre Ursprünge,
ihre Beziehungen zu ihrem Kulturboden, zu Landschaft, Stamm, Familie,
Sitte und Gebrauch interessieren. Dieser wird bei ihr mehr nach der künst-
lerischen Form, nach Material, Technik, künstlerischer Entwicklung und nicht
zuletzt nach ihrem Zusammenhang mit der höheren Kunst fragen. Die
Frage, inwieweit die Entwickelung der bäuerlichen Kunst unter dem Ein-
flusse der städtischen sich vollzieht, muß den Kunstfreund und Kunstforscher
besonders fesseln. Allein erst die harmonische Verbindung der beiden An-
schauungsweisen wird dem Gegenstand voll gerecht werden, seine Bedeutung,
seine Eigenart klar erkennen lassen. Die vorliegenden Untersuchungen sind
vorwiegend aus dem Interessenkreise des Kunsthistorikers herausgewachsen.
Die kunsthistorische Betrachtungsweise bedingt es, daß wir uns nicht
sklavisch an den Begriff Bauernkunst halten, daß wir die Grenzen des Ge-
bietes hier und da überschreiten, Erzeugnisse von nicht rein bäuerlicher Art
und von höherem Kunstwert mit in Betracht ziehen. Nur dann lassen sich
die Zusammenhänge zwischen ländlicher und städtischer Kunstübung ganz
übersehen. Gewisse auf sächsischem Boden entstandene keramische Exzeugnisse,
die in der Mitte stehen zwischen bäuerlicher Schlichtheit und bürgerlicher
Eleganz, werden uns diese Zusammenhänge besonders deutlich vor Augen
führen. Hier und da auf vornehmere Erzeugnisse altsächsischen Kunstgewerbes
vergleichsweise mit Bezug zu nehmen, empfahl sich schon deshalb, weil diese
weiteren Kreisen fast ebenso fremd sind, wie die Reste alter bäuerlicher Kunst-
übung, und dabei nicht weniger Beachtung verdienen.