492 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
Fenster sind mit gedrehten Rundstäben eingefaßt, die sich aus Formsteinen
zusammensetzen. Eine Anzahl einzelner solcher in Thon gebrannten Bau-
stücke sind früher schon und kürzlich wieder bei der Restauration der Kirche
zu Tage gekommen. Von den neugefundenen verdienen besondere Beachtung
zwei große Ziegel, deren Schauseiten in den weichen Thon eingeritzte figuren-
reiche Darstellungen schmücken, die im Stil unmittelbar an Holzschnitte des
endenden 15. Jahrhunderts erinnern, und ein ähnlicher Ziegel, auf dessen
Schauseite aus Thon geformte halbrunde Figuren aufgelegt sind.“)
Die Kachelbäckerei stand in Sachsen auch in der Renaissancezeit in
Blüte. In der Kalandstube der an Kunstschätzen so reichen Marienkirche zu
Zwickau hat sich ein sehr schöner Ofen aus dieser Blüteperiode unversehrt
erhalten. Er dürfte um 1540 entstanden sein und besteht aus einem breiten,
viereckigen Unterbau und einem turmartigen, schmalen, achtseitigen Aussatz.
Die grün glasierten Kacheln des letzteren füllen Einzelgestalten (Fürsten,
Tugenden und Landsknechte), der Unterbau zeigt als oberen Abschluß eine
Reihe von buntglasierten Schüsselkacheln mit porträtmäßigen Brustbildern in
Zeitkostüm, im übrigen ebenfalls grünglasierte Kacheln, die sämtlich dasselbe
perspektivisch verkürzte Interieur wiederholen. Ein zierliches, buntglasiertes
Ofenmodell in der Sammlung des Vereins für Geschichte der Stadt Zwickan
mit biblischen Scenen und allegorischen Frauengestalten und einem Wappen
zwischen Karyatiden, bezeichnet 15 HE 70, giebt eine gute Anschauung von
dem Stand der sächsischen Ofenindustrie in der späteren Zeit des 16. Jahr-
hunderts. Es wird auf den Hafner Hans Elsasser zurückgeführt, der in
Zwickau auch sonst nachzuweisen ist. Eine weitere beglaubigte Schöpfung
seiner Kunst ist das Epitaph seiner Frau Barbara in der Marienkirche aus
dem Jahre 1576, ungewöhnlicher Weise nicht eine Bildhauerarbeit, sondern
in Thon gebrannt und kalt bemalt. Daß die Zwickauer Oberhafner auch
sonst über die Grenzen ihrer eigentlichen Wirksamkeit hinausgegangen sind,
beweisen die Medaillons mit den Brustbildern des Heilands und verschiedener
Helden der Reformation an der Kanzel der Zwickauer Marienkirche: sie sind
ebenfalls in gebranntem Thon hergestellt und bemalt.
Die anderen größeren Städte Sachsens haben sicher im 16. Jahrhundert
in der Kacheltöpferei nicht hinter Zwickau zurückgestanden. Mit voller Be-
stimmtheit läßt sich dies von Leipzig behaupten, wo der bereits erwähnte
Scherbenfund neben einigen wenigen gotischen Kachelresten auch eine stattliche
Reihe von Kachelstücken aus der besten Zeit der Renaissance ans Licht ge-
bracht hat. Sie sind in der Mehrzahl grün, einige schwarzbraun und nur
wenige bunt glasiert und entstammen zum größten Teil der ersten Hälfte
*) Die Funde sind jetzt in einem Nebenraume am Chore der Kirche zusammen-
gestellt.