Full text: Sächsische Volkskunde.

A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst. 493 
des 16. Jahrhunderts. Ihre Figuren und Ornamente lassen zum Teil eine 
sehr weitgehende Vertrautheit mit der Formensprache der Italiener erkennen. 
In noch höherem Grade ist dies der Fall bei einer Kachelform, die sich mit 
anderen interessanten alten Kachelformen in einer alten noch heute bestehen- 
den Leipziger Töpferwerkstatt vererbt hat. Eine buntbemalte Abformung der- 
selben ist im Dresdner Kunstgewerbe-Museum zu finden. Sie zeigt einen 
wahrhaft klassisch gezeichneten, behelmten weiblichen Profilkopf, mit der Bei- 
schrift „Susanna“. 
Was Sachsen im 16. Jahrhundert in der Thonindustrie zu leisten ver- 
mochte, läßt uns in vollem Umfang erst die in der Lokallitteratur bereits 
mehrfach besprochene, von der Kunstforschung aber noch sehr wenig beachtete 
Kanzel in der Kirche der alten Töpferstadt Strehla a. d. Elbe erkennen.“ 
Sie besteht, vom Gerüst abgesehen, durchweg aus gebranntem Thon und ist 
darum mit den Robbiaarbeiten Italiens vergleichbar, von denen sie freilich 
in ihrem gegenwärtigen Zustand darin abweicht, daß sie nicht glasiert, sondern 
bemalt ist. Laut einer längeren Inschrift hat sie 1565 der einheimische 
„Töpfer und Bildschnitzer“ Melchior Tatze ausgeführt. Sie ruht auf einer 
Säule, an die sich die fast ganz frei gearbeitete Gestalt des gehörnten Moses 
anlehnt, der mit der erhobenen Linken den Kanzelstuhl stützt, während er in 
der Rechten die Gesetzestafeln hält. Diese ungemein charaktervoll gezeichnete 
Freifigur setzt sich samt ihrer Säule aus gebrannten Thonchlindern zu- 
sammen. Die Schranken des Kanzelstuhls und der Treppe sind je mit vier 
Thonreliefs geschmückt, die Scenen aus dem alten und neuen Testament 
schildern. An der konvexen Unterseite des Kanzelstuhls sind zwischen mit 
Blattwerk gefüllten Zwickeln thönerne Reliefmedaillons mit den sitzenden Ge- 
stalten der vier Evangelisten angebracht. Die Reliefs sind von Inschrift- 
tafeln, einfachen Pilastern und schlicht profilierten Gesimsen mit Blattwülsten 
eingerahmt. Das Ganze wird von einem hölzernen Gerüst zusammengehalten. 
Die Reliefs schildern mit einem großen Aufwand von Figuren und 
landschaftlicher Staffage sehr lebendig und dabei klar und anschaulich, trotz- 
dem auf jeder Tafel mehrere Vorgänge zusammengefaßt sind. Die Formen- 
gebung entspricht dem Stil der Zeit und ist verhältnismäßig elegant, jeden- 
falls sehr eingehend. Die Gestalt des stützenden Moses überrascht durch das 
Archaische ihres Faltenwurfs, der sichtlich älteren Mosesstatuen der Art aus 
Stein nachgeahmt ist. Der Kenner der deutschen Kunst kann keinen Augen- 
blick über die kunstgeschichtliche Bedeutung der Strehlaer Kanzel im Zweifel 
*) Genauer beschrieben in „Der Sammler für Geschichte und Altertum, Kunst und 
Natur im Elbthal“. Bd. II, 1837. S. 81— 84 und in der Zeitschrift „Sachsengrün“ 
Ihg. J. (1861) S. 31, kurz gewürdigt von K. Berling, Führer durch das Königl. Kunst- 
gewerbe-Museum zu Dresden, Abteilung III, S. 42. Der Verfasser behält sich eine ein- 
gehendere Besprechung derselben vor.
	        
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