A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst. 495
Sachsen, hier namentlich in Annaberg i. E., angefertigt worden sind. Ein
sicher beglaubigter Annaberger Krug der geschilderten Art ist in das Dresdner
Kunstgewerbe-Museum gelangt'): er trägt um den Hals die Umschrift „Merten
Koller Aneberck 1569“ (Fig. 236). Martin Koller ist zweifellos als der Ver-
fertiger des Kruges anzusehen. 1587 hatte ein Töpfer gleichen Namens für
Schloß Osterstein in Zwickau Arbeit zu liefern.
Der Krug des Martin Koller ist für unsere Betrachtung von besonderem
Interesse, weil er durch eine gewisse Plumpheit der Gesamtform auf-
fällt, die ihn scharf von den sogenannten Hirschvogelkrügen sondert und
jüngeren bäuerlichen Steinkrügen Sachsens nahebringt. Er hat die beträcht-
liche Höhe von rund 54 cm. Sein dicker Leib ist weniger birnenförmig als
eiförmig gestaltet und trägt einen plumpen, kurzen, nach oben ein wenig ver-
jüngten Hals. Die elegante architektonische Gliederung der Hirschvogelkrüge
fehlt ihm. Der glänzende Effekt dieses seltenen Stückes beruht vornehmlich
in seiner herrlichen tiefblauen Grundglasur, von der sich aufgelegte dünne
weiße Ranken und bunte Figuren abheben. Die Ranken bewegen sich in ge-
fälligen Bogenlinien und in einigermaßen symmetrischer Anordnung über die
glatte Fläche, enden spiralig und tragen gelbe Blätter und Abdrücke einer
Medaille mit dem Brustbild Johann Friedrich des Großmütigen. Die Figuren
haben ganz verschiedene Größenverhältnisse und sind ziemlich willkürlich
zwischen die Ranken eingeordnet. Vorn sieht man die Halbfigur Gott Vaters
dargestellt, wie er aus dem Leib Adams die Gestalt der Eva bildet, auf den
beiden Seiten den Gekreuzigten, umgeben von Maria und Johannes. Die
Farben der Figuren sind weiß, gelb, braun und gnün.
Ein dem Koller-Krug ganz ähnlicher Krug befindet sich im Altertums-
Museum in Annaberg, freilich ist er über hundert Jahre jünger. Er hat die-
selbe schwerfällige eiförmige Gestalt wie jener, im Unterschied von diesem aber
anstatt eines drei Henkel. Auf seinen glatten, gelben Grund sind nicht
Ranken, sondern naturalistische Zweige mit breiten Blättern und großen
rosettenartigen Blüten aufgelegt. Dieser Dekor ist grün, blau, weiß und
violett glasiert. Am obern Rand liest man die Umschrift „Christdobh Niesl.
Jahr. Anno. 1687." Dieser Krug steht der Bauerntöpferei noch näher als
der Koller-Krug.
Mit ziemlicher Sicherheit kann man auch einen Krug im Germanischen
Museum in Nürnberg auf Annaberg zurückführen, wiewohl er in der Gestalt
nur schwach an die beiden erstgenannten Krüge erinnert, wesentlich schlanker
gebildet ist als diese. Die Verwandtschaft mit jenen zeigt sich vor allem
in seinem figürlichen Schmuck (Taufe Christi), der bei ihm ebenso unver-
*) Eingehendere Beschreibungen des Koller-Kruges in Mitt. d. K. Sächs. Altertums-
vereins, H. 28, S. 94/5 und bei Berling, a. a. O., S. 40 .