516 A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst.
Boden mit einem an Spinnengewebe oder noch eher an Feuerwerk erinnern-
den wirkungsvollen Dekor in Weiß, Grün und anderen hellen Tönen ge-
schmückt ist: von der Mitte ihres Bodenrundes gehen Strahlen aus, die im
Bogen verlaufen und oben kulbig enden und so an Raketen erinnern; unter
ihnen liegen dichte, spiralige Windungen (s. Fig. 263 u. 264). Eine andere
Spezialität dieser Wurzener Werkstatt sind niedrige, dickbauchige Henkelkrüge
mit ungemein glänzenden, flammigen bezw. achatartigen, durcheinander ge-
laufenen Glasuren vorwiegend in Rot, Weiß und Hellblau. Proben dieser
Ware haben bereits im Museum für Volkskunde Aufnahme gefunden. Ebenda
sind glückliche Versuche eines Dresdener Töpfers in bäuerlich dekorierter
Fayence zu finden (s. Fig. 265). Auf das hübsche, bunt dekorierte thönerne
Puppengeschirr und Kinderspielzeug, auf die farbenreichen, bald getupften,
bald gestreiften Spar-Schweinchen und was alles dergleichen in Pulsnitz,
Pirna, Dippoldiswalde und anderwärts gefertigt wird, sei hier nur kurz hin-
gewiesen. Diese echt bäuerlichen Miniaturtöpfereien sind ja jedem vom Jahr-
markt oder Topfmarkt her wohlbekannt.
Von den vornehmen sächsischen Kunsttöpfereien des 16. Jahrhunderts,
mit denen wir unsere Betrachtung begonnen haben, bis zu dem groben thö-
nernen Kinderspielzeug von Pirna und Dippoldiswalde ist ein gewaltiger
Sprung. Und doch besteht ein gewisser Zusammenhang, leitet eine organische,
leider stetig abwärts gehende Entwickelung von jenen glänzenden Anfängen
zu diesen schlichten Erzeugnissen handwerksmäßiger Produktion über. Die
vorliegende Schilderung dieses interessanten Entwickelungsprozesses macht nicht
auf Vollständigkeit Anspruch; ebensowenig vermißt sie sich, in allen Einzel-
heiten das Richtige getroffen zu haben. Eingehende Nachprüfungen, namentlich
nach der Seite des Technischen, müssen ihr notwendig folgen, wenn sichere
Ergebnisse erzielt werden sollen. Erst nach ganz eingehender vergleichender
Untersuchung der Thonmasse, des Scherbens der in Betracht kommenden
älteren Geschirre, erst mit Hilfe sorgfältiger Nachgrabungen an wichtigen
Stellen, die eine Scherbenausbeute versprechen, wird es gelingen, die künst-
lerische Bedeutung der älteren Erzeugnisse anscheinend so wichtiger Töpferorte
wie Altstadt-Waldenburg, Penig, Zeitz, Altenburg, Annaberg und Pirna
klarzustellen.
II.
Wo man auch der Eigenart des bäuerlichen Kunstempfindens nachspürt,
ob in den deutschen Alpen oder in Böhmen und Mähren, ob in Skandinavien
oder in den Donauländern, allerorten wird einem alsbald bewußt, daß der
Grundzug seines Wesens die Freude an der Farbe, die Lust an kräftigen
Farbenakkorden, an greller Buntheit bildet. Und überall fühlt man, daß die
Erxzeugnisse des Töpfers vornehmlich deshalb eine so große Rolle im künst-