Full text: Sächsische Volkskunde.

44 J. V. Deichmüller: Sachsens vorgeschichtliche Zeit 
Kenntnis der Weberei schließen, die Töpferei ist zu hoher Blüte gelangt. 
Als neue Kunstfertigkeit ist die Metallgießerei hinzugekommen. Größere 
Waffen und Schmucksachen verraten einen gewissen Wohlstand der Be- 
völkerung. Kunstvoller Waffen bediente sich der Reichere, mit glänzenden 
Ringen und Nadeln aus Bronze und Eisen schmückte er Körper und Ge- 
wand, während sich der Armere mit einer Halskette aus Tierzähnen oder 
Perlen aus Bronze, Bernstein oder Thon begnügte. 
Über die sittlichen und religiösen Anschauungen der damaligen Zeit 
können wir nicht urteilen. Daß dem Toten Achtung und Verehrung be- 
wiesen wurde, deuten die Grabanlagen an, welche fast immer mit Sorgfalt 
und, wie die Hügelgräber, oft in großen Dimensionen ausgeführt sind. Die 
in vielen Gräbern beobachtete Erscheinung, daß die zum Bedecken der Urnen 
verwendeten Thonschüsseln durchbohrt sind, weist vielleicht darauf hin, daß 
unsere heidnischen Vorfahren an eine dauernde Verbindung des Verstorbenen 
mit der Außenwelt geglaubt haben. 
Ülber den Körperbau der bronzezeitlichen Bevölkerung geben die in den 
Urnen aufbewahrten, durch den Leichenbrand zertrümmerten Skelettteile keinen 
Aufschluß; zur Bestimmung der Nationalität bieten die Fundstücke nur einen 
mangelhaften Anhalt. Der Stil der Gefäße und der Metallbeigaben wie 
die Bestattungsform in Brandgräbern, welche mit den in anderen, zweifellos 
von germanischen Völkern bewohnten Gegenden gefundenen übereinstimmen, 
berechtigen zu der Annahme, daß auch die in Sachsen während der Bronze- 
und frühen Eisenzeit ansässigen Volksstämme Germanen waren. 
Die hier geschilderten Zustände haben sich nun mehr als ein Jahrtausend 
ohne wesentliche Veränderungen erhalten; dieselben Sitten und Gebräuche 
haben bei unserer Bevölkerung seit Einführung der Bronze bis in die ersten 
Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung geherrscht, wenn auch gegen das 
Ende dieses durch die großen Urnenfelder charakterisierten Zeitraumes sich 
noch manche fremde Einflüsse geltend gemacht haben. So war es nament- 
lich die im 4. Jahrhundert vor Chr. unter der keltischen Bevölkerung Frank- 
reichs und der Schweiz entwickelte, nach dem wichtigsten Fundorte, der Pfahl- 
baustation La Tene am Neuenburger See benannte La Tene-Kultur, deren 
Exzeugnisse bis in die hiesige Gegend gedrungen sind und die heimische Be- 
völkerung sowohl mit dem ausgedehnteren Gebrauch des Eisens als auch mit 
neuen Formen der Schmucksachen und Gefäße bekannt gemacht haben. Die 
Mehrzahl der in unserer Gegend vorkommenden Fundstücke besitzen die für 
den älteren Abschnitt der La Tone-Periode charakteristischen Formen, während 
Mittel= und Spät-La Tene-Funde selten sind. Hiernach scheint diese Kultur 
bei uns schon bald nach ihrem Entstehen, in den letzten Jahrhunderten v. Chr. 
Eingang gefunden zu haben, ihre Einwirkung auf die heimische Kultur aber 
nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. Nur gering ist die Zahl der Gräber
	        
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