Full text: Sächsische Volkskunde.

540 Die wendische, vogtl. u. altenburgische Volkstracht im 18. u. 19. Jahrhundert. 
herrschte aber eine Unbeweglichkeit, die man vorher nicht gekannt. Und in dieser 
Zeit der Abspannung, des Stillstandes und der Armut haben wir im all- 
gemeinen das Entwickeln der Volkstrachten aus den bäuerlichen Mode- 
trachten zu suchen, und wenn wir bei der Schilderung der sächsischen Trachten 
im Jahre 1700 einsetzen, so werden wir annähernd die Kleidung finden, die 
wir den heutigen Volkstrachten, die also stehen gebliebene und sich eigen- 
artig entwickelt habende Modekostüme sind, zu Grunde legen können. 
Einige ältere Formen, zumal bei den weiblichen Kopfbedeckungen, sind hierbei 
ausgenommen, ja, die altenburger Tracht hat sich sogar erst zu Anfang des 
19. Jahrhunderts umgemodelt und die heutigen Formen angenommen. 
Wir beginnen mit den Wenden. Aus dem Jahre 1654 stammt eine 
Verordnung, welche die Lausitzer Stände gegen die überhandnehmende 
„Hoffarth der wendischen Bauernleut und Knechte“ erlassen haben und welche 
das Tragen von kostbaren Bändern, Schleifen, Federn u. s. w. untersagt. 
Die Sucht, sich mit Bändern zu schmücken, ist vielen Bauerntrachten eigen 
und noch heute bei den Wenden stark vorhanden. Ein Kostümbuch aus dem 
Jahre 1700 giebt uns weitere Nachricht. Schon vorher hatten sich die 
protestantischen von den katholischen Wenden durch ihre Kleidung unter- 
schieden. Da die Tracht, zumal bei Frauen und Mädchen, sich fast in jedem 
Kirchspiel verschiedenartig entwickelt hat (die meisten Unterschiede weist die 
preußische Niederlausitz auf), so ist es unmöglich, ein Bild mit festen Konturen 
zu geben. 
Die Männertracht um 1706 zeigt im großen und ganzen nicht viel 
Verschiedenartiges von der um diese Zeit in Sachsen üblichen Bauern- 
kleidung. Die Männer trugen einen breiten Hut, der oft durch eine mit 
Pelz verbrämte und mit einer Quaste versehenen Sackmütze ersetzt wurde. 
Zwei dunkelfarbige Röcke, einen bis zu den Knieen reichenden langen und 
einen kürzeren trug man über der bunten Weste. Alle Kleidungsstücke waren 
mit grober Leinwand gefüttert. Eine blaue, lose anschließende Jacke, die bis 
zum Hals zugeknöpft werden konnte, war auch in Mode. Das derbe Lein- 
wandhemd hatte weite Armel. Die ledernen gelben Kniehosen waren bauschig, 
dazu kamen bunte, oft von Schäfern gestrickte Strümpfe, die nicht gestopft, 
sondern mit einem Lappen geflickt wurden, und niedere Schuhe, die bei der 
Arbeit hohen Stiefeln Platz machten. Einen weißen Leinwandlittel (pickescha) 
finden wir zumal in der Niederlausitz als Arbeitsrock, während der lange 
dunkle Rock mehr als Festtagskleid auftritt. Durch die Farbe der Vorstöße 
unterscheiden sich die Ortschaften. An Stelle des langen Rockes finden wir 
in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts und zumal bei jüngeren Leuten 
fast durchgehends die Jacke. 
Die Frauen sind im Erhalten der Volkstrachten beständiger als die 
Männer. Im Kopfputz zeigen die einzelnen Gegenden bezeichnende slawische
	        
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