Die wendische, vogtl. u. altenburgische Volkstracht im 18. u. 19. Jahrhundert. 541
Merkmale und hier treffen wir eine außerordentliche Mannigfaltigkeit, so daß
Kenner leicht die einzelnen Parochien unterscheiden können. Das Kopftuch
ist allüberall da anzutreffen, wo sich Slawen finden. Das Selbstverfertigen
der Kleidungsstücke gab denselben früher ein Sonder-Gepräge, das in neuerer
Zeit durch den Einkauf der Stoffe aus den Fabriken vollständig verwischt
wird. Sammet und Seide zu dem Sonntagsschmuck sind natürlich immer
durch Händler bezogen worden. Die Röcke wurden selbst gewirkt, das Bunt-
streifige bevorzugt und eigene Muster bildeten den gerechten Stolz der Ver-
fertigerin. Heute ist der einfarbige Rock vorherrschend. Zu Festlichkeiten
schmückte man sich mit dem „tausendfältigen“ Rock. Verlobte Mädchen
wählten die grüne Farbe. Der Rock war kürzer als jetzt; da, wo
durch moderne Verkehrsmittel Fremde einzogen, verlängerte er sich. Die
Schürze bedeckte ihn mit Ausnahme eines schmalen Streifens auf der Rück-
seite ganz und hatte dieselbe
Länge. Sie war einfarbig.
Uber das Mieder mit steifem
Latz wurde im Winter oder
an Festtagen eine kurze, dunkle
Jacke, oft mit kleinen Schöß-
chen, gezogen. Der Ausschnitt
am Halse wurde mit der Zeit
kleiner. Unterbeinkleider gab
es nicht. Zu Festlichkeiten
wurden früher rote, später
weiße Strümpfe bevorzugt.
Weiß ist aber auch die alte
slawische Farbe der Trauer,
bezeichnend ist das weiße Stirn-
band und das weiße Tuch,
welches den Körper bei Voll-
trauer bis zu den Knöcheln
und bei Halbtrauer bis zu den
Hüften umhüllt (siehe Fig. 283). In einigen Gegenden läßt es bei ersterer
vom Gesicht nur Augen und Nase frei. Die Männer tragen zur Trauer
jetzt schwarzen Anzug mit weißem Halstuch. Bei Ausgängen halten Frauen
und Mädchen unter dem linken Arm ein zusammengefaltetes weißes Tuch.
Im Königreich Sachsen kommen nur die Trachten der katholischen Wenden
in den Amtshauptmannschaften Bautzen und Kamenz und die der evangelischen
Wenden der Oberlausitz in Betracht. Bei den Katholiken trägt der Mann
Festtags einen Dreimaster, langen Rock, bunte bis an den Hals zugeknöpfte
Weste, Kniehosen, weiße Strümpfe und Schnallenschuhe, d. h. wir finden hier
Fig. 283. Wendinnen in Trauer.