20. Die Zukunft der Volkstrachten.
Von Cornelius Gurlitt.
Im vorangegangenen Aufsatz ist mir die Schilderung der Vergangen-
heit und der Gegenwart vorweg genommen worden — es bleibt noch übrig
ein paar Worte über die Zukunft zu sagen. Ich möchte dabei nicht in die
wenig dankbare Rolle des Propheten fallen, nicht die Schlüsse selbst ziehen,
sondern nur das zusammentragen, was zu Schlüssen anregt.
Wir sahen, daß es in Sachsen keinerlei Tracht giebt, die einen hohen
geschichtlichen Wert für sich in Anspruch nehmen kann. Keine ist altgermanisch
keine mittelalterlich. Es dürfte nur sehr wenig Spuren in den deutschen
Trachten geben, die über das 16. Jahrhundert hinausgreifen, die Mehrzahl
aller gehören dem 17. und 18. Jahrhundert an. Sie sind veraltete Mode-
trachten; sie sind Reste einer vergangenen Geschmacksentwickelung, Zeugen
dafür, daß die Bauern, nachdem sie sich der Modebewegung angeschlossen
hatten, an irgend einer Stelle aus irgend einem Grunde stehen blieben, plötzlich
die Vorwärtsbewegung aufgaben und den Stillstand sich zum Gesetz machten.
Es fragt sich nun, welche Zeiten und welche Gründe für dieses Still-
stehen maßgebend sind, warum die Bauern einmal sich modisch kleiden, ein
anderes Mal nicht. Um diese Frage zu beantworten, ist wohl ein Blick über
das Kleid hinaus auf die gesamte künstlerische Thätigkeit zu werfen; die
Tracht ist ja auch ein Teil dieser.
Wir sind schon über das Bauernhaus in Sachsen unterrichtet worden; es
hat sich gezeigt, daß die Untersuchungen dort einen anderen Weg führen, als
jene über die bürgerliche Baukunst. Schwerlich kann man viel von Barock,
von Renaissance, von Gotik und romanischem Stil reden. Das Bauernhaus
hat diese Stilformen nur in sehr bescheidenem Maße mitgemacht. Schon
Semper fiel es auf, daß an ihm die Gotik keine Spur zurückließ. Die
Renaissance läßt sich wohl hie und da nachweisen, jedoch ist es schwer, nach
stilistischen Quellen die einzelnen Formen zu trennen, zu erklären, ob sie
in diesem und jenem Jahrhundert ihren Ursprung hatten.
Anders beim Kirchenbau. Hier giebt es gewisse Zeiten, in denen die
ländliche Thätigkeit besonders rege war. Sie wurden an anderer Stelle