62 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
noch völlig unbestimmt in spärlich bewohnten Wald= und Sumpfdistrikten,
wo den fremden Eindringlingen niemand wehrend entgegentrat. Das frän-
kische Reich wurde durch blutige innere Kriege zerrüttet; und die Auf-
merksamkeit auch der Großen im Osten richtete sich wesentlich auf den Westen,
von dessen Verwicklungen ihr Besitz an Einfluß und Macht abhängig war.
So schoben sich während der 7. und der ersten Hälfte des 8. Jahrh.
slawische Siedelungen in zerstreuten Gruppen über Ober= und Unterfranken
bis zum Steigerwald und zu den Haßbergen vor. Noch zu Beginn des
11. Jahrh. war, die Bamberger Gegend fast ausschließlich von flawischen
Walddörfern bedeckt. Weit im Thüringer Walde und über Erfurt hinaus
erscheinen später slawische Orte. Nördlich davon wurde ein ganzer Distrikt
im Altgowe nach ihnen Winidon, Wendengau, genannt. In den Niederungen
der Unstrut und Helme, von der Bode nordwärts bis zur Ohre und in
den Sümpfen des Drömling nennen später Diplome slawische Dörfer in
Menge. Im altmärkischen Balsamerlande schwankte noch lange die Herr-
schaft zwischen Sachsen und Wenden, und im Drewan, im hannöverschen
Wendlande, haben sich Reste slawischer Sprache und Bräuche bis in die
neueste Zeit erhalten.
Erst unter Karl d. Gr. wurde diesem Vordringen Einhalt gethan.
Böhmer Wald, Saale und Elbe bildeten seitdem im wesentlichen die Grenze
zwischen deutscher und slawischer Art.) Die sflawischen Siedler westlich
dieser Linie fielen als Volksfremde in die Gewalt des Königs, der sie teils
an Stifter und Herren vergabte, teils als Kronbauern (Fiscalinen) in seiner
Hand behielt.
Die wendischen Völkerschaften östlich der Grenze wurden zwar durch
oft wiederholte Kriegszüge in gewisse Abhängigkeitsbeziehungen zum fränkisch-
deutschen Reiche gebracht, aber diese äußerten sich in der Hauptsache doch
nur in beschränkter Heerfolgepflicht, gelegentlicher Tributleistung und Einfluß=
nahme des Königs auf die Wahl der wendischeu Fürsten. — Im übrigen
blieben die Wenden in der Ordnung ihrer Angelegenheiten sich selbst über-
lassen, bis dann etwa 100 Jahre später mit Heinrich I. u. bes. mit Otto J.
die Eroberungs= u. Christianisierungspolitik einsetzte und die Vorschiebung
der deutschen Grenze und des Deutschtums nach Osten begann. —
Die Sorben.““)
Die Sorben gehörten, wie die Czechen im Süden und die polabischen
Wenden im Norden, dem westlichen Zweige der großen slawischen Völker-
*) Die Elbe nur bis in die Gegend von Lauenburg. Von hier aus lief die
Grenze rechts der Elbe längs der Delvenau und Steckenitz zur Trave; dann über Plön
an der Schwentine zur Kieler Bucht.
*) Vgll. Meine Kolonisierung N. S. 19—44.