Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 89
in deren Umgebung sonst sorbische Art lange sich bewahrt hat, und einiges
auch auf Niederländer hinweist — hatte ihr Recht von Goslar erhalten,
und noch 1256 ging der Rechtszug dorthin „zur roten Thür“. —
Im Vogtland erscheint 1122 ein comes de Everstein, dessen Geschlecht
an der Weser blühte, als Graf im Dobnagau, und als die ältesten deutschen
Kolonisten des Landes sind, neben Thüringern, Sachsen nachgewiesen.
Auch sonst deuten vereinzelte Ortsnamen wie Sachsdorf, Sachsenburg,
Sachsengrund auf sächsische Abkunft der Bewohner oder des Grundherrn hin.
Baierischen Kolonisten verdankt vornehmlich das Vogtland seine
deutsche Besiedelung; auch über das westliche Erzgebirge hin sollen sie zahl-
reich sich ausgebreitet haben. Sogar Schwaben haben nicht gefehlt, wenn
es zulässig ist, aus Ortsnamen wie Schwaben, Schwabhausen, Schwabeck, auf
die Herkunft der Begründer zu schließen.“)
Ein hochbedeutsames Element in der Bölkermischung der östlichen Kolonial-
länder überhaupt bilden endlich die Niederländer. Am Niederrhein, in
Holland und in Flandern, war man schon früh, zum Teil infolge der Un-
gunst der Bodenverhältnisse und gefördert durch früh entwickelten Handel und
Kapitalbildung, zu freiern Formen des Besitzes und der Unternehmung und
zu genossenschaftlichen Vereinigungen zum Zwecke großartiger Urbarungen,
Deichbauten, Entwässerungsanlagen gelangt. Seit ihrem ersten nachweis-
baren Auftreten bei Bremen 1106 wurden Auswanderer jener Gegenden
Pfadfinder und Bahnbrecher der Kolonisation des Ostens bis zu den baltischen
Küsten im Norden und zu den Bergen der Tatra und der Karpathen und
den Niederungen der Donau und Theiß im Süden. Und ihre Verträge,
aholländisches und vlämisches Recht", wurden, wie das „fränkische Recht",
vielsach Typus und Norm des Kolonistenrechtes überhaupt.
Im Brandenburgischen waren besonders die Altmark und die Kurmark
in ausgedehnten Strichen, der Magdeburgische „Ducatus transalbinus“ fast
durchweg von ihnen besetzt. Von der goldenen Aue an Unstrut und Helme
an bis zur Lausitz und Schlesien zogen ihre Siedelungen rings um unser
Gebiete herum. Es ist von vornherein anzunehmen, daß sie auch diesem nicht
fremd blieben. Und in der That, wir begegnen ihnen in einzelnen Orten
wie in größeren Distrikten. — Am zahlreichsten saßen sie in dem Flachlande
an der unteren Mulde und der Elbe. In Bitterfeld hat sich die „Flem-
minger Societät“ bis in die neueste Zeit erhalten. Im Kreise Delitzsch
finden wir Flemsdorf und Flemmingsthal. In Kühren bei Wurzen hatte
*) Vgl. die vortreffliche Abhandlung von Max Schmidt: „Zur Beschichte der Be-
siedelung des sächsischen Vogtlandes“, im 7. Jahresbericht der städtischen Realschule zu
Dresden-Johannstadt, Dresden 1897.
* ) In Altenburg wird 1223 neben Heidenricus Vlemingus ein Henricus Suevus,
in Meißen um dieselbe Zeit ein „Bavarus“ genannt.