284 Städteordnung (Geschäfte der Stadtverordnetenversammlung).
den Bürgermeister in öffentlicher Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Eid
und Pflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten 1) oder
einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadt-
verordnetenversammlung vereidet.
Magistratsmitgliedern, welche ihr Amt mindestens neun Jahre mit Ehren be-
kleidet haben, kann in Ubereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung von
dem Magistrat das Prädikat „Stadtältester“ verliehen werden.
Zu Abs. 1: V. 6. 5. 67 (GS. 715) enthält die Eidesformel. Wegen des Tragens von Amts-
ketten s. KabO. 9. 5. 51 (MVl. 86; MR. 1. 2. 48 MBl. 34).
Titel IV. Von den Versammlungen und Geschäften der Stadtverordneten.
§ 35. Die Stadtverordnetenversammlung hat über alle Gemeindeangelegen-
heiten zu beschließen, soweit sie nicht ausschließlich dem Magistrat überwiesen sind.
Sie gibt ihr Gutachten über alle Gegenstände ab, welche ihr zu diesem Zwecke durch
die Aufsichtsbehörden vorgelegt werden. Uber andere als Gemeindeangelegenheiten
durfen die Stadtverordneten nur dann beraten, wenn solche durch besondere Gesetze
oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Ausfsichtsbehörde an sie gewiesen sind.
Die Stadtverordneten sind an keinerlei Instruktion oder Aufträge der Wähler
oder der Wahlbezirke gebunden.
Die Stadtverordnetenversammlung ist eine politische Körperschaft im Sinne des 8 197 StrGB.
Die sog. „laufende Verwaltung"“ führt der Magistrat ohne Befragung der Stadtverordneten, s. dazu
§5§ 111, 112, 119, 123, 126, 127 ALR. 1 14 und § 152 ALR. II 6; vgl. hierzu Pr BWl. 29, 770“
Ou#G. 50, 4.
Gemeindeangelegenheit ist nicht bloß das, was den Bestand der Gemeinde als solcher und ihrer
Organe betrifft, sondern auch die Einrichtung und Erhaltung alles defsen, was für das leibliche, geistige
und gesellschaftliche Wohl aller oder eines großen Teiles erforderlich oder wünschenswert ist (Leder-
mann, StO. 40). Auch Angelegenheiten, die in erster Linie eine allgemeine politische Bedeutung
haben, können dadurch zu Gemeindeangelegenheiten werden, daß sie die örtlichen Interessen der Ge-
meinde in besonderem Maße berühren (OG. 41, 35, 37). Diesem Grundsatze entsprechend wurde eine
Petition der Stadtverordneten zu Stettin gegen die Erhöhung der Getreidezölle für erlaubt erachtet.
Denn sie habe zum Zwecke gehabt, die besonderen lokalen Interessen des Verkehrs, des Handels und
der Schiffahrt von Stettin, hervorragend wichtige materielle Interefsen der städtischen Bevölkerung
nach Maßgabe der Verhältnisse besonders dieser Stadt in jener steuerpolitischen Frage zu vertreten.
Sie beträfe also Gemeindeangelegenheiten (OVG. 13, 89).
§ 36. Die Beschlüsse der Stadtverordneten bedürfen, wenn sie solche Angelegen-
heiten betreffen, welche durch das Gesetz dem Magistrate zur Ausführung überwiesen
sind, die Zustimmung des letzteren. Versagt dieser die Zustimmung, so hat er die
Gründe dieser Versagung der Stadtverordnetenversammlung mitzuteilen. Erfolgt
hierauf keine Verständigung, zu deren Herbeiführung sowohl von dem Magistrat
als den Stadtverordneten die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommission verlangt
werden kann, so beschließt der Bezirksausschuß?) über die entstandene
Meinungsverschiedenheit, wenn von einem Teile auf Entscheidung
angetragen wird, und zugleich die Angelegenheit nicht auf sich be-
ruhen kann. (3. § 17 Nr. 1.)
Die Stadtverordnetenversammlung darf ihre Beschlüsse in keinem Falle selbst
zur Ausführung bringen.
Zu Abs. 1: vgl. 8 56 Ziff. 2.
§ 37. Die Stadtverordnetenversammlung kontrolliert die Verwaltung. Sie
ist daher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwendung
aller Gemeindeeinnahmen Uberzeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke
von dem Magistrat die Einsicht der Akten verlangen, und die Ausschüsse aus ihrer
Mitte ernennen, zu welchen der Bürgermeister ein Mitglied des Magistrats abzu-
ordnen befugt ist.
1) In Berlin hat der Oberpräsident das Aestätigungsrecht der Stadträte; der BzAussch. (Abs.
2 u. 3) wirkt nicht mit.
2) In Berlin der Oberpräsident.
3) In Berlin ist der Oberpräsident zuständig.