Gerichtswesen (Gerichtsverfassung). 423
Das Kammergericht ist auch auf dem Gebiete der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit zuständig für weitere Beschwerden gemäß FreiwGerG. (RGBl.
98, 771) §§ 27, 28, 30, 194, und gemäß §§ 64, 143 das.; für weitere
Beschwerden in Grundbuchsachen, Reichs GrundbO. §§ 79, 81, s. Preuß.
Fr , 21. 9. 99 (GS. 249), Art. 7, 8.
In den nichtstreitigen Rechtssachen haben die Oberlandesgerichte
die Zuständigkeit der früheren Appellationsgerichte behalten (AusfG. § 49
Nr. 1), namentlich also für Lehns= und Fideikommißsachen; ferner sind
sie zuständig für die Rechtsmittel in dieser nichtstreitigen Gerichtsbarkeit,
sofern diese nach § 41 des AusfG. in 1. Instanz den Landgerichten zu-
steht (AusfG. § 49 Nr. 3).
9. Titel. Reichsgericht. Es hat seinen Sitz in Leipzig (R.
11. 4. 77, REBl. 415). Sein Präsident, seine Senatspräsidenten und
Räte werden auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt (§ 127).
Bei dem Reichsgerichte werden Zivil= und Strafsenate gebildet,
deren Zahl der Reichskanzler bestimmt (§ 132); sie entscheiden in der Be-
setzung von 7 Mitgliedern (§ 140). Der Geschäftsgang ist geregelt durch
eine vom Bundesrat bestätigte, vom Reichskanzler am 8. 4. 80 veröffent-
lichte Geschäfts O., geändert durch Bek. 25. 7. 86 (RZBl. 190 u. 300).
Das Reichsgericht ist zuständig:
1. in Zivil sachen: für die Revision gegen die Endurteile der Ober-
landesgerichte (§ 135; die Revision ist nur zulässig, wenn der Wert des
Beschwerdegegenstandes 4000 M. übersteigt, ferner, ohne Rücksicht auf den
Wert, insoweit es sich um die Unzulässigkeit des Rechtsweges oder die
Unzulässigkeit der Berufung handelt, und endlich bei Ansprüchen, für
welche die Landgerichte, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes,
ausschließlich zuständig sind, 8PO. § 546 f.); bei bestimmten Klagegegen-
ständen ist sie unzulässig (3PO. § 545 Abs. 2).
2. in Strafsachen: in 1. und letzter Instanz für Hoch= und Landes-
verrat, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet
sind, sowie für die Revision gegen Urteile der Strafkammern in 1. In-
stanz, falls nicht die Oberlandesgerichte zuständig sind, und gegen Urteile
der Schwurgerichte (§ 136). .
Will in einer Rechtsfrage ein Zivilsenat von der Entscheidung eines
anderen Zivilsenats oder der vereinigten Zivilsenate, oder ein Strafsenat
von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder der vereinigten
Strafsenate abweichen, so ist über die streitige Rechtsfrage eine Entscheidung
der vereinigten Zivil- bzw. Strafsenate einzuholen. Einer Entscheidung
der Rechtsfrage durch das Plenum bedarf es, wenn ein Zivilsenat von
der Entscheidung eines Strafsenates oder der vereinigten Strafsenate,
oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines Zivilsenats oder der
vereinigten Zivilsenate, oder ein Senat von der früher eingeholten Ent-
scheidung des Plenums abweichen will. Die Entscheidung der Rechtsfrage
durch die vereinigten Senate oder das Plenum ist in der zu entscheidenden
Sache bindend. Sie erfolgt in allen Fällen ohne vorgängige mündliche
Verhandlung (§ 137).
In das Reichsgericht ist das frühere Reichsoberhandelsgericht auf-
gegangen (Einf G. §§ 14, 19). Das Preuß. höchste Gericht (Obertribunal)