Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

Gerichtswesen (Strafprozeß). 437 
Punkte der Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde, welche nur ver- 
sagt werden kann, wenn die Vernehmung dem Wohl des Reichs oder des 
Bundesstaates Nachteil bereiten würde. — Bei unberechtigter Weigerung 
tritt Geldstrafe bis zu 300 M., auch Zeugniszwangshaft bis zu 6 Monaten 
bzw. Beendigung des Verfahrens in der Instanz ein (§ 69); Sach- 
verständige (zur Vorbereitung eines Gutachtens kann der Angeschuldigte 
bis zu 6 Wochen in eine öffentliche Irrenanstalt gebracht werden) und 
richterlichen Augenschein (Leichenschau und Leichenöffnung s. §§ 87 ff., 
Schriftvergleichung § 93). Den Zwecken der Untersuchung dient ferner 
1. die Beschlagnahme von Gegenständen, welche als Beweismittel in 
Betracht kommen oder einziehbar sind, und welche durch den Richter, bei 
Gefahr im Verzuge durch die Staatsanwaltschaft oder deren Hilfsbeamte 
(Polizei= und Sicherheitsbeamte) erfolgen kann, 5§ 9j4 f.; Postsperre §§ 99 f.; 
vgl. auch S. 489; 2. die Durchsuchung bei den der Tat oder der Teilnahme 
Verdächtigen zum Zweck der Ergreifung, oder wenn anzunehmen ist, daß 
sie zur Auffindung von Beweismitteln führen werde; bei anderen Personen 
grundsätzlich nur, wenn Tatsachen die Auffindung der gesuchten Person 
oder Sache vermuten lassen; Befugnis zur Anordnung wie zu 1; vgl. 
im einzelnen §§ 102 ff. 3. Die auf Grund eines richterlichen schriftlichen 
Haftbefehls erfolgende Verhaftung, welche nur erfolgen kann, wenn 
a) dringende Verdachtsgründe vorhanden sind und b) Fluchtverdacht oder 
Tatsachen vorliegen, welche eine Verdunkelung des Tatbestandes durch den 
Angeschuldigten (d. i. der Beschuldigte, gegen welchen öffentlich Klage er- 
hoben ist, § 155; Beschuldigter ist jeder, gegen den ein strafrechtliches 
Einschreiten angeregt ist) befürchten lassen. Der Fluchtverdacht bedarf 
keiner Begründung, wenn ein Verbrechen vorliegt, wenn der Angeschuldigte 
heimatlos ist oder sich nicht ausweisen kann, oder wenn er Ausländer ist 
und sich voraussichtlich nicht stellen wird. Spätestens einen Tag nach der 
Einlieferung ist der Verhaftete von einem Richter zu hören, §§ 112f. 
Noch weitere Kautelen für den Erlaß des Haftbefehls sind bei leichteren 
Straftaten gegeben und wenn die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, 
8§ 113, 125, 126; 4. die vorläufige Festnahme, welche erfolgen 
kann a) durch jedermann, wenn der Täter auf frischer Tat betroffen wird 
und er fluchtverdächtig oder nicht sofort zu rekognoszieren ist, b) durch 
die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsorgane, wenn die Voraussetzungen 
eines Haftbefehls und Gefahr im Verzuge vorliegen. Der Festgenommene 
ist sofort dem Amtsrichter des Festnahmebezirks vorzuführen; spätestens 
am nächsten Tage hat seine Vernehmung und der Erlaß eines Haftbefehls 
gem. § 125 bzw. die Freilassung zu erfolgen. Steckbrief s. § 131. — 
Wegen der Entschädigung für unschuldig erlittene Unter- 
suchungshaft vgl. RG. 14. 7. 04 u. V. 6. 11. 04 (Schutztruppen; 
RGBl. 321 u. 441). Wegen der Verteidigung § 137 ff.; sie ist zu- 
lässig in jedem Stadium; notwendig in Schwur= und Reichsgerichtssachen 
erster Instanz, bei Tauben, Stummen und Angeschuldigten unter 16 Jahren 
sowie bei Verbrechen auf Antrag des Beschuldigten. 
Das zweite Buch behandelt das Verfahren inerster Instanz. 
Die Klage ist in der Regel eine öffentliche und wird von der Staats- 
anwaltschaft erhoben, welche verpflichtet ist, wegen aller strafbaren 
Handlungen von Amts wegen einzuschreiten (Legalitätsprinzip). Ohne Klage
	        
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