Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

438 Gerichtswesen (Strafprozeß). 
(Erhebung der Klage geschieht durch Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung 
oder Einreichung einer Anklageschrift; § 168) erfolgt keine gerichtliche 
Untersuchung. Die Vorbereitung der öffentlichen Klage erfolgt 
durch die Staatsanwaltschaft, eilige Handlungen auch durch den Amtsrichter. 
Weigert die Staatsanwaltschaft sich gegenüber dem Verletzten, ein zuschreiten, 
so hat er binnen zwei Wochen Beschwerde an die vorgesetzte Behörde, gegen 
deren Ablehnung binnen 1 Monat Antrag auf gerichtliche Entscheidung 
beim Oberlandesgericht zu stellen ist. — Im Strafverfahren ist die 
Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Hierzu dient neben 
der Hauptverhandlung die Voruntersuchung, obligatorisch in Reichs- 
gerichts= und Schwurgerichtssachen, bei Strafkammersachen auf Antrag des 
Staatsanwalts oder bei erheblichen Gründen auch des Angeschuldigten, un- 
zulässig bei Schöffengerichtssachen. — Führten die Ermittlungen der Staats- 
anwaltschaft oder die Voruntersuchung zu einem positiven Resultat, so wird 
gegen den Angeschuldigten nach Einreichung der Anklageschrift das Haupt- 
verfahren eröffnet, er heißt von diesem Augenblicke an Angeklagter; 58 196, 
201. Bei negativem Ergebnis stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren 
ein, bzw. wird, wenn Voruntersuchung stattfand, der Angeschuldigte durch das 
Gericht außer Verfolgung gesetzt. In gewissen Fällen, namentlich, wenn der 
Angeklagte geisteskrank ist, wird das Verfahren vorläufig eingestellt; 8 203. 
In der Hauptverhandlung müssen das Gericht, die Staatsanwalt- 
schaft, ein Gerichtsschreiber, sowie grundsätzlich der Angeklagte (Ausnahmen 
§§ 231 f.; Ladungsfrist 1 Woche, § 216), welcher im Fall des Ausbleibens 
vorzuführen oder zu verhaften ist, anwesend sein. Es erfolgt zunächst die Ver- 
nehmung des Angeklagten, alsdann die Beweisaufnahme, welche durch Ver- 
nehmung bzw. durch Verlesung von Urkunden zu erfolgen hat. Hieran schließen 
sich die Vorträge der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, welchem das 
letzte Wort gebührt. Das Urteil lautet auf Freisprechung, Verurteilung (jede 
nachteilige Entscheidung hinsichtlich der Schuldfrage bedarf einer /8-Mehrheit; 
s. §8262) oder — mangels des erforderlichen Strafantrages — auf Einstellung 
des Verfahrens. Es ist unter Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung 
der Gründe am Schluß der Verhandlung oder spätestens eine Woche danach 
(unterbrochene Hauptverhandlungen sind spätestens am 4. Tage fortzusetzen) 
zu verkünden. Besonderheiten gelten für die Schwurgerichte. Zunächst 
wird die Geschwornenbank durch Auslosung gebildet; Staatsanwalt und 
Angeklagter können je zur Hälfte so viele Geschworene ablehnen, als über 12 
(es müssen mindestens 24 erscheinen) anwesend sind. Alsdann werden die G. 
vereidigt. Die für die Geschworenen vor den Parteivorträgen zu formu- 
lierenden Fragen zerfallen in Hauptfragen, welche sich auf die inkriminierte 
Tat beziehen, Hülfsfragen, welche die Tat anders qualifizieren als der Er- 
öffnungsbeschluß, und Nebenfragen bezüglich solcher Umstände, welche die 
Strafbarkeit aufheben, vermindern oder erhöhen; §§ 292 f. Nach er- 
haltener Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden beraten die Geschworenen 
abgesondert; Schuldspruch verlangt /8-Mehrheit; er bezieht sich nur auf 
die Schuldfrage. Freisprechung bzw. Strafzumessung erfolgt durch das 
Gericht, §§& 276—317. 
Ein Verfahren gegen Abwesende (Begriff § 318) findet statt: 
1. wenn die Tat nur mit Geldstrafe oder bzw. und mit Einziehung bedroht 
ist, § 319; 2. zur Sicherung des Beweises, §§ 327 ff.; 3. wegen Ver-
	        
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