Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

Armenwesen (Abweisung, Ausweifung). 457 
(BA. 50, 150) erhält. Die Besorgnis vor künftiger Verarmung be- 
rechtigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurückweisung“ (§ 4). Eines 
förmlichen Gemeindebeschlusses bedarf es dazu nicht (MR. 10. 1. 90, 
MBl. 35). Der Begriff der „Angehörigen“ ist nicht dem bürgerlichen 
Recht zu entnehmen, sondern richtet sich nach den Vorschriften der Armen- 
gesetzgebung. Zu den Angehörigen im Sinne des § 4 gehört daher für 
den Geltungsbereich des UnterstützungswohnsitzG. nicht die gemäß § 17 
G. 6. 6. 70 in Ansehung des Erwerbes des Unterstützungswohnsitzes 
selbständige Ehefrau nebst den ihr folgenden Kindern unter 16 Jahren 
(BA. 26, 34; s. dazu Grundsätze des BA. über die armenrrechtliche 
Familieneinheit RZ Bl. 83, 87). Offenbart sich nach dem Anzuge die 
Notwendigkeit einer öffentlichen Unterstützung, bevor der neu Anziehende 
an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungswohnsitz (Heimatsrecht) er- 
worben hat, und handelt es sich dabei nachweislich nicht bloß um eine 
vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, so kann die Fortsetzung des Aufenthaltes 
versagt werden, d. h. wenn die Unterstützung tatsächlich gewährt ist (B. 
31, 119) (§ 5). Hat die Gemeindebehörde die Abweisung oder Versagung 
der Fortsetzung des Aufenthaltes (§§ 4 und 5) beschlossen, so liegt der 
Polizeibehörde die tatsächliche Ausführung ob, die sie aus Zweckmäßigkeits- 
gründen nicht ablehnen darf. Sie ist aber berechtigt zu prüfen, ob dem 
Antrage rechtliche Bedenken, insbesondere aus § 6 Abs. 2 FreizügigkWG. 
entgegenstehen (ME. 29. 8. 91, Ml. 170). Nach letzterem Paragraphen 
darf „die tatsächliche Ausweisung aus einem Orte niemals erfolgen, bevor 
nicht entweder die Annahmeerklärung der (für die Übernahme des Unter- 
stützten) in Anspruch genommenen Gemeinde oder eine, wenigstens einst- 
weilen vollstreckbare Entscheidung über die Fürsorgepflicht erfolgt ist“ (86, 
ogl. unten §§ 28 und 34, R. 6. 6. 70 (30. 5. 08). 
Gegen die Abweisung und die polizeiliche Ausweisungsverfügung 
steht dem Betroffenen die Klage an die ordentlichen Verwaltungsgerichte 
zu (OVG. 7, 364 und BA. 21, 145). 
Anzugsabgaben darf die Gemeinde von den neu Anziehenden 
nicht erheben; sie kann ihn nur, wenn der Aufenthalt drei Monate 
übersteigt, zu den gewöhnlichen Gemeindelasten heranziehen (§ 8, s. § 33 
Abs. 4 KA. 14. 7. 93 oben S. 317). Was vorstehend von den Gemeinden 
bestimmt ist, gilt an denjenigen Orten, wo die Last der öffentlichen Armen- 
pflege verfassungsmäßig nicht der örtlichen Gemeinde, sondern anderen 
gesetzlich anerkannten Verbänden (Armenkommunen) obliegt, auch von 
diesen, sowie von den selbständigen Gutsbezirken (§ 9). Die landes- 
gesetzlichen Vorschriften über die Anmeldung (vgl. das schon oben an- 
geführte G. 31. 12. 42 §5 8Sf.) gelten mit der Maßgabe, daß die unter- 
lassene Meldung nur mit einer Polizeistrafe, nie mit dem Verluste des 
Aufenthaltsrechtes geahndet werden darf (§ 10). — 
Die beiden anderen, unmittelbar die öffentliche Armenhilfe regelnden 
Gesetze sind die folgenden: 
II. RG. 6. 6. 70 über den Unterstützungswohnsitz (uW.), (erg. 
durch Nov. 12. 3. 94), jetzt in der Fassung der Novelle v. 30. Mai 1908, 
Bek. 7. 6. 08 Rl. 380, RG. 29. 3. 09 (Einf. in Helgoland) 
  
und
	        
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