460 Armenwesen (Unterstützungswohnsitzgesetz).
In Preußen sind Ausländer, auch soweit das Verhältnis
der Preußischen Armenverbände untereinander in Betracht
kommt, den Deutschen gleich zu erachten (6§ 60, §5 64); jedoch wird
hierdurch die Ausweisungsbefugnis nicht berührt (OV. 30, 411).
B. Hilfsbedürftigkeit. Wann solche als vorliegend anzunehmen,
haben die Organe der öffentlichen Armenpflege zu ermessen; der § 1 ALR.
II 19 bezeichnet als Hilfsbedürftige diejenigen, „die sich ihren Unterhalt
nicht selbst verschaffen und denselben auch von anderen Privatpersonen,
welche nach besonderen Gesetzen dazu verpflichtet sind, nicht erhalten können“.
Aber auch wenn solche Personen vorhanden sind, jedoch ihre Verpflichtung
verabsäumen, muß jeder Deutsche vorläufig von demjenigen Orts-
armenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei dem Ein-
tritte der Hilfsbedürftigkeit befindet; ebenso wenn ein anderer Armenverband
endgültig verpflichtet ist (§ 28). Die Unterstützungspflicht entsteht mit dem
Zeitpunkte, in dem die Hilfsbedürftigkeit in einer für die Behörden des Orts-
armenverbandes erkennbaren Weise hervorgetreten ist (BA. 2, 67; 21, 60).
Auch die Ausländer sind, solange ihnen der Aufenthalt in Preußen gestattet
wird, in bezug auf Unterstützung und Unterstützungswohnsitz den Deutschen
gleich zu behandeln (s. o. § 64). Einen Anspruch auf Unterstützung
kann der sich für arm Erachtende gegen einen Armenverband niemals im
Rechtswege geltend machen (§ 63); er kann wegen gänzlicher und teil-
weiser Verweigerung der Unterstützung nur die Beschwerde erheben,
auf die (— im Geltungsbereiche des 8G. —), sofern eine Stadt von
mehr als 10 000 Einw. an dem Armenverbande beteiligt ist, sowie bei
Landarmenverbänden, die nur aus einem Kreise bestehen, vom Bz Aussch. 1),
sonst vom Kr Aussch endgültig Beschluß gefaßt wird (86. § 41).
Gleichartige Beschwerden gegen Verfügungen der sonstigen Landarmen-
verbände gehen an die staatliche Aussichtsbehörde des Kommunalverbandes,
der den Landarmenverband vertritt oder bildet, gewöhnlich also, da er mit
der Provinzialverwaltung zusammenzufallen pflegt, an den Oberpräsidenten
und schließlich an den Minister des Innern.
C. Art und Maß der öffentlichen Unterstützung. Jedem
Hilfsbedürftigen ist Obdach, der unentbehrliche Lebensunterhalt
(d. h. alle zur Existenz eines Menschen unentbehrlichen Gegenstände, ME.
10. 4. 71, MBl. 132), die erforderliche Krankenpflege und schließ-
lich ein angemessenes Begräbnis zu gewähren. Zahlung von Schul-
geld fällt in Preußen nicht unter die Armenunterstützungen; ebensowenig
die Unterbringung von Geistesschwachen, Blinden in einer zu solchen
Zwecken eingerichteten Anstalt nur zu ihrer möglichsten Ausbildung und
Unterweisung; doch richtet es sich nach den am Orte der vorläufigen
Unterstützung geltenden Gesetzen, ob das einem Hilfsbedürftigen Gewährte
als eine Leistung der Armenfürsorge anzusehen ist, z. B. Ausgaben für
Erziehungszwecke in Sachsen und Hamburg. Ob eine polizeiliche Maß-
regel unter Umständen als ein Akt der Armenhilfe anzusehen ist, richtet
sich nach der tatsächlichen Lage des Falles. Es kommt bei derartigen
Maßnahmen darauf an, ob es sich um die Wahrnehmung polizeilicher oder
1) Auch in Berlin (83G. § 161).