Kirchenrecht (Parochien). 539
was von allen geglaubt werden muß, aufstellt. Wo Nuancen zulässig
sind, sollte wohl nicht die territoriale Gemeinschaft im Parochialzwange
die Menschen zusammenhalten, sondern eine freie Vereinigung der Gleich-
denkenden die Gemeiden bilden. Freilich aber liegt auf der Hand, daß,
wo einmal das System der territorialen Abgrenzung besteht, eine Anderung,
schon wegen der Vermögensrechte der Parochialkirchen, außerordentlichen
Schwierigkeiten begegnen müßte. — Neue Parochien können nur vom
Staat (Kultusminister bzw. Regierungen) 1) unter Zuziehung der geistlichen
Oberen (Evangel. Ober-Kirchenrat und Konsistorien) errichtet und ab-
gegrenzt werden (§ 238, G. 3. 6. 76, GS. 125, Art. 23). Bei Ver-
änderungen schon bestehender Parochien sind die Interessenten (Geistliche,
Patron, Gemeindekirchenrat und Gemeindevertretung) zu hören (§ 239,
§ 25 Kirchengem.= und SynO.), der Minister hat die Entscheidung;
Privat-Entschädigungsforderungen (z. B. Verluste der Kirchenbeamten an
Einkommen) sind im gewöhnlichen Rechtswege geltend zu machen (§ 240).
Die Unterhaltung der neuen, von der alten abgezweigten Parochie fällt
den Eingepfarrten der letzteren zu; die neue Parochie hat nicht
von selber Anspruch auf einen verhältnismäßigen Teil des Ver-
mögens der Stammparochie (OXr., Str A. 89, 231). Eine Parochie
kann mehrere Kirchen, auch Neben= oder Tochterkirchen haben (8§ 244
bis 246). Wer, abgesehen von den Militärs (§ 278), innerhalb eines
Kirchspiels seinen ordentlichen Wohnsitz hat, ist zur Parochialkirche des
Bezirks eingepfarrt (§ 260 ff.), wenn er zu der betreffenden Religions-
partei gehört, und unterliegt dem Pfarrzwange (Bogl. § 427 ff. und
G. 3. 6. 76, GS. 154, betr. die Aufhebung der Parochialexemtionen);
dazu gehört namentlich die Zahlung der Stolgebühren an die kompetente
Parochie und der Kirchenabgaben (88 423 f., 164). Über die Zugehörig-
keit zu den Militärgemeinden s. V. 19. 10. 04 (GS. 273). Auf-
gehoben können Parochien nur werden mit Genehmigung derselben Be-
hörden, die bei der Errichtung maßgebend sind (§§ 306 ff., vgl. G. 13. 5. 33
über erloschene Parochien und deren Behandlung). — Ein „Simultaneum“
ist vorhanden, wenn zwei Gemeinden verschiedener Religionsparteien zu
einer Kirche berechtigt sind (§§ 309—317).
1) In Berlin vom Polizeipräsidenten (V. 5. 9. 77, Art. III).