Strafrecht. 545
d) desgl., wenn die Handlung in einem unverschuldeten, auf andere
Weise nicht zu beseitigenden Notstande zur Rettung aus einer gegen-
wärtigen Gefahr für Leib und Leben des Täters oder eines Angehörigen
begangen worden ist (§ 54);
e) Kinder vor vollendetem 12. Lebensjahre können nicht
strafrechtlich verfolgt, aber durch Beschluß des Vorm G. in einer
geeigneten Familie, in einer Erziehungs-oder Besserungsanstalt untergebracht
werden (§ 55, vgl. Fürsorgeerziehungs G. 2. 7. 00, GS. 264, Aus-
führungsBest. 18. 12. 00, MBl. 01, 27); oben S. 125;
1) Angeschuldigte zwischen 12 und 18 Jahren sind freizusprechen,
wenn sie bei Begehung der strafbaren Handlung die zur Erkenntnis der
Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaßen. Auch sie können bis
zum vollendeten 20. Lebensjahre einer Anstalt überwiesen werden. Wird
angenommen, daß sie die erforderliche Einsicht besaßen, so ist auf mildere
Strafe (nie Tod, Zuchthaus, Verlust der Ehrenrechte; wohl aber Ge-
fängnis bis zu 15 Jahren) zu erkennen; die Freiheitsstrafe ist in be-
sonderen, für jugendliche Personen bestimmten Anstalten oder Räumen zu
vollstrecken (§§ 56 f.); über die Zuständigkeit des Regierungspräsidenten
s. ME. 2. 6. 98 (Verordnungsblatt für Strafanstalten 67), im übrigen
s. über die Ausführung ME. 11. 12. 01 (MBl. 02, 17); Einführung
von Jugendgerichten ME. 1. 6. 08 u. 22. 9. 09 (JMl. 237 u. 335);
g) ein Taubstummer, welcher die zur Erkenntnis der Strafbarkeit
einer von ihm begangenen Handlung erforderliche Einsicht nicht besaß, ist
freizusprechen (§ 58);
h) wenn jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vor-
handensein von Tatumständen (nicht Strafrechtssätzen) nicht kannte,
welche zum gesetzlichen Tatbestande gehören oder die Strafbarkeit erhöhen,
so sind ihm diese Umstände nicht zuzurechnen. Bei der Bestrafung fahr-
lässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als
die Unkenntnis selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist (6 59);
i) die Untersuchungshaft kann auf die erkannte Strafe ganz
oder teilweise angerechnet werden (§ 60);
k) eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt,
ist nicht zu versolgen, wenn der zum Antrage Berechtigte den Antrag
nicht binnen 3 Monaten, nachdem er von der Handlung und der Person
des Täters Kenntnis erhalten, gestellt hat (§§ 61 ff.). Die Zurücknahme
des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen
(§8 102—104, 194, 232, 247, 263, 292, 303, 370 Nr. 5 u. 6, s. auch
viele Nebengesetze) und nur bis zur Verkündung des Urteils zulässig
(§ 64), eine Teilung des Antrages ist unstatthaft (§ 63). — Als Bei-
spiele dieser sog. Antragsvergehen seien hervorgehoben: Hausfriedens-
bruch (§ 123), Ehebruch (§ 172), Beleidigung (§ 194), leichte, sowie
fahrlässige Körperverletzung (§ 232), Entführung (§§ 236 f.), Diebstahl,
Unterschlagung, Betrug gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher, sowie
Diebstahl und Unterschlagung bei unbedeutenden Gegenständen gegen Lehr-
und Dienstherren (§§ 247, 263); ferner gehören außer den vorgenannten
u. a. hierher die Verbrechen wider §§ 179, 236, die Vergehen wider
8§§ 182, 189, 223, 257 Abs. 3 (soweit die Haupttat Antragsdelikt ist),
Zelle, Handbuch. 6. Aufl. 35