Full text: Landeskunde des Königreichs Sachsen.

106 Volk und Staat. 
Elbe verschwinden die Sorbenwenden seit dem 12. Jahrhundert. 
Vielfach waren sie Hörige der deutschen Herren — Sclavus, 
Sklave bedeutete ursprünglich so viel wie flawischer Kriegsge- 
fangener —, zum Teil räumten sie ihre Dörfer und zogen nach 
Osten ab, zum Teil gingen sie, namentlich wenn sie Christen 
wurden, in den Deutschen auf. 1327 wurde das Wendische als 
Gerichtssprache in Leipzig, Altenburg (wo sich die wendische 
Tracht erhalten hat) und Zwickau ausgehoben, 1424 im meiß- 
nischen Gebiet. Der Westen war also 100 Jahre früher ein- 
gedentscht als das Elbgebiet. In den Städten wurden die 
Wenden, die wie alle Slawen keine Städte gegründet hatten, 
gar nicht oder nur in besonderen Vierteln geduldet. Sie waren 
verachtet, Wende wurde zum Schimpfwort, wie jenseits des Ge- 
birges Böhm und Böhmak. 1451 verbot noch die Dresdner 
Fleischerinnung, wendische Lehrlinge einzustellen. Nur in der 
Lansitz wurden Wenden als Bürger aufgenommen, doch sind 
Bautzen 1213, Löbau 1221, Kamenz 1225 bereits deutsche Städte. 
In ihrer Umgebung hat sich das Wendentum bis auf seine 
heutigen Reste gehalten. Spuren des Wendischen sind in der Volks- 
sprache nicht selten, wie Huschegans (busa — Gans), Hitsche 
(hecna = niedrige Bank), Plauze (= Lunge), Biele (Ente, v. biela 
weiß), Muusche (Kuh), Jauche, Quark, futsch (—= weg, fort), 
pietschen (zechen) usw. 
Die heutige Bevölkerung ist zum weitaus größten Teil 
deutscher Abstammung. Wendische Familiennamen erinnern 
noch an die germanisierten Wenden; sehr viele dieser Fa- 
milien sind aber erst aus dem jetzt noch teilweise wendischen 
Gebiet östlich der Elbe in das westliche Sachsen gekommen. 
Je weiter man nach Westen geht, desto seltener werden ein- 
heimische Familien mit flawischen Namen. Die viel ver- 
breitete Ansicht, daß die Brünetten von dem wendischen 
Einschlag herrühren, ist nicht ohne weiteres zutreffend, weil 
die nördlichen Slawen ebenso häufig blond sind wie die 
Norddeutschen und bei Slawen wie Germanen der brünette 
Typus nach Süden zunimmt. Er ist wahrscheinlich auf die 
älteste, vorindogermanische Bevölkerung zurückzuführen. In 
Sachsen sind 33,22 % rein blond, 14,22 % brünett; über
	        
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