Volk und Staat. 107
die Hälfte der Bevölkerung gehört anthropologisch den
Übergangstypen an, doch wiegt der blonde, als altgermanisch
anzusprechende Typus vor.
Das obere Erzgebirge wurde später besiedelt, zum Teil
erst nach der Reformationszeit durch vertriebene Protestanten
aus Böhmen (s. S. 79).
Die Geschichte der deutschen Besiedlung spiegelt sich
teilweise auch in den Mundarten wider. Scharfe Grenzen
zwischen den einzelnen Dialekten sind nicht vorhanden. Die
obersächsische Mundart reicht weit nach Thüringen und der
Provinz Sachsen hinein, im 16. Jahrhundert ist sie durch
den Einfluß der kursächsischen Verwaltung und Luthers für
die neuhochdeutsche Schriftsprache maßgebend geworden.
Besonders weich klingt die sächsische Mundart im Nieder—
land und Elbtal, härter im Erzgebirge. Die vogtländische
Mundart steht bereits den süddeutschen (ostfränkischen und
bayrischen) näher als der obersächsischen. Der Lausitzer
Dialekt gehört zum schlesischen, slawischer Einfluß ist in ihm
namentlich bei der Aussprache des r zu erkennen. In ge-
wisser Beziehung steht auch die Mundart zum Volks-
charakter. Der sprichwörtlich gewordene überhöfliche und
gutmütige Sachse ist der Vertreter des weichen, nieder-
ländischen Dialekts, der Erzgebirger ist schon viel derber;
von dem vielfach noch bajuwarisch-urwüchsigen Vogtländer,
dessen süddeutscher Einschlag auch in gelegentlicher Rauflust
zum Durchbruch kommt, sagt schon Luther in seiner derben
Sprache: „Vogtländische Köpfe, grobe Ochsen“. Der alles
ausgleichende Einfluß des heutigen Verkehrs, der städtischen
Kultur und der Binnenwanderungen übt auch auf Mundart
und Volkscharakter seine unverkennbare Wirkung aus. Als
Proben der sächsischen Mundarten mögen folgende Dialekt-
dichtungen dienen.