98 Die Organisation der Reichs-Staatsgewalt.
5. Kraft des Gesetzes vom 4. Juli 1870 kann der Kaiser
einen Statthalter ernennen; dies ist seitdem geschehen und
der in Straßburg residierende Statthalter darf wohl als eine
dauernde Einrichtung angesehen werden. Der Statthalter ist in
vollem Umfange für elsaßllothringische Landesangelegenheiten an
Stelle des Reichskanzlers getreten, welcher für diesen Bereich
völlig ausgeschieden ist. Der Statthalter kann sich für den
Umfang dieser Funktionen durch den Staatssekretär vertreten
lassen.
Außerdem aber kann der Kaiser dem Statthalter
auch landesherrliche Funktionen übertragen, und auch
davon ist in erheblichem Umfange durch Kaiserliche Der-
ordnungen, die auf den Tamen des jeweiligen Statthalters aus-
gestellt waren, Gebrauch gemacht worden. In dieser gquasi-
landesherrlichen Stellung, die somit auf Subdelegation beruht,
ist der Statthalter kraft der monarchischen Hrärogative unver-
antwortlich; die Derantwortlichkeit für diese Regierungsakte trägt
ausschließlich der Staatssekretär. Ihr Umfang ist hauptsächlich:
Erlaß von Derordnungen für verschiedene Verwaltungszweige,
Erlaß von Geldstrafen und andere fiskalische Zefugnisse, Er-
nennung und Bestätigung von Beamten. Außerdem hatte der
Statthalter noch die Befugnisse des sogenannten Diktatur-
paragraphen (Ges. v. 30. Dez. 1871 § 10), der durch Ges. v.
18. Juni 1002 § 2 aufgehoben ist.
Der Schwerpunkt des Amtes und der persönlichen Stellung
des Stattkhalters Rat sich mehr und mehr in die landeskerrlichen
Junktionen verlegt, indes der Staatssekretär der Minister des
Beichslandes ist. Die Derantwortlichkeit besteht juristisch nur
gegenüber dem Reichstag, nicht dem Landesausschuß.
4. Die reichsländische Sentralverwaltung wird nunmehr
ausschließlich von einem vom Kaiser ernannten, aber dem Statt-
halter untergeordneten Ministerium geführt. An der Spitze
steht der Staats sekretär; unter ihm führen vier Abteilungen
die Geschäfte (Inneres, Justiz, Finanzen, Kultus), geleitet von
Unterstaatssekretären. Die konstitutionelle Derantwortlichkeit trägt
nur der Staatssekretär. Das Ministerium gibt das Landes-
gesetzblatt Reraus. Alle elsaßllothringischen Beamten sind Reichs-
beamte im Sinne des Gesetzes vom 31. März 1873 (s. oben
S. 84 f.). Staatssekretär und Unterstaatssekretäre können jederzeit
entlassen und mit Wartegeld zur Derfügung gestellt werden.