Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

24 Die Aufrichtung des Reiches. 
der hBeutigen österreichisch-ungarischen Delegationen. Aber das 
wollte Bismarck nicht: nicht preußische, sächfische, anhaltische 
Abgeordnete sollten das deutsche Harlament bilden, sondern jeder 
Abgeordnete sollte sein: Dertreter des gesamten deutschen Holkes, 
so wie es heute in Artikel 20 der Reichsverfassung 1) steht. 
Da war es nun, um Bindings Worte zu gebrauchen, 
ein „wunderbarer welthistorischer Sufall“, daß ein altes ver- 
gilbtes Hapier existierte, auf dem ein Wahlgesetz gedruckt war 
für das ganze deutsche Dolk, das das Datum des 12. März 1840 
trug und in der Frankfurter Haulskirche beschlossen, aber nie- 
mals in Kraft getreten war. Dies Wahlgesetz nahm man, ließ 
es von den Einzelstaaten als Gesetz in Kraft erklären — diese 
juristische Formalität war, so kümmerlich sie uns auch im Lichte 
des großen Entwickelungsprozesses vorkommt, nach dem annoch 
besteltenden Rechtszustande unbedingt notwendig —, und so 
wurde auf Grund jenes sögenannten Reichsgesetzes bezw. der 
übereinstimmenden Einzelstaatsgesetze das erste deutsche Harla- 
ment, der sogenannte konstituierende Reichstag gewählt; weiter- 
hin wurde dann dies Reichsgesetz von 1840 gemäß Artikel 20 
der Reichsverfassung zu unserem hbeute geltenden Reichswahl- 
gesetze vom 31. Mai 1860, wie es mit nur geringfügigen Ab- 
änderungen bis zur Stunde in Kraft steht. 
Das unter gewaltiger Begeisterung am 12. Februar 1867 
gewählte erste deutsche Harlament unseres heutigen deutschen 
Staatslebens wurde alsbald vom König von Hreußen, der 
hierzu durch den Augustvertrag beauftragt war, zum 27. Februar 
nach Berlin berufen. Seine Arbeit war, unter andauernder 
Begeisterung des Dolkes, bald getan; in kurzer Seit — nur 
sechs Wochen dauerten die Beratungen — waren die Differenz- 
punkte zwischen Regierungen und Reichstag geordnet und die 
Reichsverfassung auch vom Harlamente mit 230 gegen 55 Stimmen 
angenommen, somit auch dieser Hunkt des Augustvertrages er- 
ledigt. Am 16. April 1867 war die Derfassung auch vom 
Reichstag angenommen. 
Ein weiterer großer Schritt war getan, aber das Siel 
war doch immer noch nicht erreicht: rechtlich verbindendes 
Gesetz war die Derfassung auch jetzt noch nicht. 
1) „Die Mitglieder des Reichstages sind Dertreter des gefamten 
volkeslu#s an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.