Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

Die Aufrichtung des Reiches. 26 
8 8. Die Annahme der Bundesverfassung durch die 
Einzelstaaten. 
achdem die Derfassung von den Regierungen und dem 
konstituierenden deutschen Reichstag angenommen war, wurde 
sie nunme#r in 22 Einzelstaatsgesetze gekleidet, in der Form 
von 22 übereinstimmenden Einzelstaatsgesetzen „Landesgesetz“. 
Der staatsrechtliche Dorgang vollzog sich genau wie bei anderen 
Candesgesetzen. 
Dem juristischen Verständnis aber bietet dieser so einfach 
erscheinende Vorgang erhebliche Schwierigkeit. 
Binding richtet gegen diese Einzelstaatsgesetze, durch die 
die Verfassung „angenommen“ wurde, ebenso wie vorher schon 
gegen die Einzelstaats-Wahlgesetze, eine heftige Kritik, und 
Sevdel verwertet sie als stärkste Stütze für seine Auffassung, 
wonach die Derfassung nicht oder doch nur zum Scheine Reichs- 
gesetz sei, in Wirklichkeit aber nur übereinstimmendes Landes- 
gesetz der beteiligten Staaten auf vertragsmäßiger Grundlage. 
Bindings Kritik ist ungerechtfertigt und Sevdels Argu- 
mentation ist falsch. 
Wollte man auf dem Wege rechtens vorgeben — und 
darüber, daß man dies wolle, berrschte allgemeines Einver- 
ständnis —, so war kein anderer Weg möglich als der ein- 
geschlagene. Swar hatten in gesonderten Beschlußfassungen die 
Dertreter der 22 Regierungen und die Dertreter des Dolkes die 
Derfassung „angenommen"“. Aber damit war die Derfassung 
noch nicht Recht und Gesetz geworden und hatte es nicht 
werden können; Recht zu schaffen waren in diesem Momente 
noch nur und einzig und allein die Einzelstaaten imstande; noch 
waren ja die Einzelstaaten zum Reiche nicht zusammengefaßt; 
noch war der „gesamte WMund“", mit dem nach Binding die 
Sache hätte erledigt werden sollen, staatsrechtlich nicht vor- 
Randen. Der sogenannte konstituierende Reichstag war nicht 
ein Staatsparlament gewesen, dies konnte er nicht sein, 
sondern juristisch nur ein Aotablenparlament deutscher Männer. 
Der Weg durch die Gesetzgebung der Einzelstaaten hin- 
durch war also, um die Derfassung zum Recht zu erheben, der 
allein mögliche. 
Aber dadurch ist nicht, wie Seydel will, die perfassung 
übereinstimmendes Landesgesetz der 22 Einzelstaaten gewerden
	        
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