26. Die Aufrichtung des Reiches.
und ist dies heute noch; die Derfassung ist nicht preußisches,
baprisches, sächsisches 2c. Landesgesetz, sondern sie ist Reichs-
gesetz und nur Reichsgesetz.
Denn sie kann nicht Landesgesetz, sie kann. nur Reichsgesetz
sein, sie hat einen für ein Landesgesetz unmöglichen Inhalt.
Nehmen wir z. B. den Art. 63 Abs. 1 und messen ihn mit
dem Seydelschen Maßstab. Der Artikel lautet: „Die ge-
samte Landmacht des Reiches wird ein einbeitliches
Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem
Befehle des Kaisers steht."“
Sum deutschen Heere gehören die sächsischen Truppen und
Kaiser ist der König von Hreußen. Kann nun etwa ein mecklen-
burgisches Gesetz bestimmen, daß die sächsischen Truppen unter
dem Oberbefehl des Königs von Hreußen als deutschen Kaisers
stehben d So läßt sich bei jedem einzelnen der 78 Artikel er-
weisen, daß er einen für ein Landesgesetz unmöglichen Inhalt
Rat, und damit ist die Sevdelsche Theorie von der Keichs-
verfassung als dem übereinstimmenden Landesgesetz der Einzel-
staaten hinfällig. — Wenn gegen diese Kritik neuerdings, be-
sonders von Löning, geltend gemacht wurde: jeder Staats-
vertrag habe in diesem Sinne einen juristisch unmöglichen Inhalt,
demnachk sei jene Kritik falsch, so ist dagegen zu bemerken: nicht
die Kritik ist falsch, sondern die — allerdings ganz allgemeine —
Behandlung der Staatsverträge. zeder Staatsvertrag müßte
juristisch in so viele selbständige Urkunden gegliedert werden,
als daran Staaten beteiligt sind, so wie dies 1122 beim
Wormser Konkordat geschak.
Welchen Rechtsinhalt aber haben, denn dann die Einzel-
staatsgesetze, durch die die Derfassung „angenommen“ wurded
Darauf hat Laband, die führende Autorität der Wissen-
schaft des Reichsstaatsrechtes, die erschöpfende Antwort erteilt:
in der Form des Gesetzes haben die Einzelstaaten die
endgültig bindende Erklärung abgegeben, daß sie sich,
soweit ihre Rechtssphäre in Betracht kommt, nach Rechten
und Oflichten unter die Verfassung stellen werden.
Und zugleich wurde in diesen Einzelstaatsgesetzen als Seit-
punkt hiefür der 1. Juli 1867 bestimmt.
Das ist der p4 er ame und juristisch mögliche Inhalt
der Einzelstaatsgesetze, und so sind sie ein notwendiges juristisches
Glied in der Entstelhung der Reichsverfassung.