Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

46 Das Reich kein Bund, sondern ein Staat. 
Der zweite Hunkt bezieht sich auf die sog. Reservatrechte 
und ergibt sich aus Art. 78 Abs. 21). Auf eine erschöpfende 
Untersuchung dieser bis zur Stunde vielumstrittenen Derfassungs- 
vorschrift kann bier nicht eingetreten werden; das Ergebnis ist, 
daß diejenigen Staaten, welche Neservatrechte haben, für das 
Gebiet dieser Res ervatrechte ein lberum veto gegen jede Ab- 
änderung der Reichsverfassung haben, daß also hier die Gesetz- 
gebung des Reiches rechtlich bedingt ist durch den zustimmenden 
Willen einiger Einzelstaaten. Es sind dies Bapern in ziemlich 
bedeutendem, auch Württemberg in nicht unerbeblichem Umfang, 
Baden in einer einzigen Materie, Hamburg und Bremen in 
bezug auf ihre Freikafenstellung. 
Allerdings herrscht über die Bedeutung der einschlägigen 
Derfassungsvorschrift in der Literatur bis zur Stunde unaus- 
getragener Streit; mehr und mehr aber neigt sich die Meinung 
der oben vorgetragenen, auch von Bänel vertretenen Ansicht 
zu. Danach unterliegen dem anormalen Widerspruchsrecht ein- 
zelner Zundesstaaten in Sachen des Reiches nur diejenigen An- 
gelegenheiten, in welchen einzelne Bundesstaaten eine Ausnahme- 
stellung gegenüber dem gemeinen Zechte des Reiches einnehmen 
und überdies eine in der Derfassung ausgesprochene Susicherung 
hierfür empfangen haben, nicht aber diejenigen Vorrechte der 
größeren Zundesglieder, welche einen ordentlichen Bestandteil 
der Reichsorganisation bilden. 
Die in R. Art. 78 Abs. 2 zugelassene Anomalie von dem 
ordentlichen Gange der Gesetzgebung bezieht sich demgemäß nur 
auf die drei süddeutschen Staaten und die beiden HSansestädte 
Bamburg und Bremen und umfaßt sachlich folgendes — einige 
untergeordnete Punkte dürfen Bier übergangen werden —: 
1. die durch die Freihafenstellung von HKamburg und 
Bremen — RV. Art. 34 — gegebene Freiheit von der Soll- 
gesetzgebung des Reiches; seit 1888 ist diese Sonderstellung der 
beiden Zansestädte eingeschränkt auf die Einrichtungen für den 
internationalen Swischenhandel, für den allein sie eine sachliche 
Berechtigung haben kann; 
2. die für Bavern, Wwürttemberg und Baden durch 
1) Wiejenig een Dorschriften der Reichsverfassung, durch welche be- 
stimmte Rechte e zrauer eihe denkny guchtver gu ältnis zur Gesamt- 
heit festgestellt sind- können nur mit Fustimmung des berechtigten Bundes- 
staates abgeändert werden.“
	        
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