Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

48 Das Reich kein Bund, sondern ein Staat. 
indes die gesetzliche Feststellung der Derwendung dieser Summe 
im einzelnen durch die baperische Landesgesetzgebung erfolgt; 
7. eine verfassungsmäßige Aus nahmestellung hat Bayern 
endlich noch in Sachen der Heimatsgesetzgebung gemäß RV. 
Art. 4 Siff. 1; demgemäß gilt die Reichsgesetzgebung über Auf- 
hebung der polizeilichen Beschränkungen der SEheschließung (Ges. v. 
4. Mai 1868) und insbesondere die Reichs-Armengesetzgebung (Ges. 
v. 6. Juni 1870, neue Fassung v. 12. März 1808) in Bapern nicht. 
Ob zur Erteilung der für Abänderung der vorbezeichneten 
Ausnahmerechte reichsverfassungsmäßig erforderlichen „Su- 
stimmung des berechtigten Bundesstaates“ eine Mitwirkung der 
einzelstaatlichen Dolksvertretung rechtlich erforderlick sei, besmmt 
sich nicht nach Reichsrecht, sondern ausschließlich nach Candes- 
recht. Die von den Ministern v. Lutz (Bapern) und v. Witt- 
nacht (Württemberg) in parlamentarischen Verhandlungen, von 
v. Seydel in der Literatur mit großer Schärfe vertretene An. 
sicht, es widerspreche eine solche Mitwirkung der Landtage der 
Reichsverfassung, entbehrt nicht nur jeder positiven Grundlage 
in dieser, sondern steht im Gegensatz zu den verfassungsmäßigen 
Grundlagen des Bundesrates und der den Bevollmächtigten zum 
Bundesrat zu erteilenden landesrechtlichen Instruktion. 
Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist die Staatstätigkeit 
der Einzelstaaten bedingt durch den Rechtsgrundsatz des Art. 78 
Abs. 1. Alle Schriftsteller von Bedeutung, abgeselten von Sevdel, 
sind demgemäß auch einig, daß das Reich souverän ist, die 
Einzelstaaten nicht mehr souverän sind. Wenn infolge dieses 
Resultates die Mehrzahl der Schriftsteller die Souveränität als 
Essentiale des Staatsbegriffes preisgibt (s. oben S. 34 unten) 
und um den Staatscharakter der Einzelstaaten zu erhalten, die 
Unterscheidung macht zwischen souveränen und nichtsouveränen 
Staaten, so halte ich das für eine Derlegenheits= und Schein- 
konstruktion, auf die irgend besonderen Wert zu legen ich nicht 
in der Lage bin. Im Rahmen der universalgeschichtlichen Ent- 
wickelung haben die deutschen lleinstaaten, aber auch unsere 
deutschen Mittelstaaten kein Anrecht auf die selbständige souveräne 
Staatseristenz, weil sie die c##oxe#ta im aristotelischen Sinne nicht 
haben, sondern ihr Staatscharakter ist, wie dies einst Abraham 
LCincoln den Sezessionsstaaten in Amerika zurief, ein Stück des 
Staatscharakters der Gesamtheit. Darin liegt nichts Demütigendes, 
geschweige denn Entwürdigendes für die deutschen Einzelstaaten.
	        
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