Die Organisation der Reichs-Staatsgewalt. 53
Feststellung der Norddeutschen Zundesverfassung berufene Ge-
sandtenkonferenz lag. Auch in der Reichsverfassung selbst wirken
diese völkerrechtlichen Gedanken, denen im übrigen durch die
staatsrechtliche Natur des Reiches der Boden entzogen ist,
noch nach.#)
So entstand unser Beutiger Zundesrat, und in wohl-
erwogener Weise sind in der Derfassung die Vorschriften über
den Bundesrat an die Spitze der Dorschriften über Organisation
der Reichsgewalt, vor diejenigen über das NKaisertum, gestellt.
Der Zundesrat ist nicht etwa eine Art Berrenhaus, eine parla-
mentarische Körperschaft; er ist auch nicht eine oberste Sentral=
bekhörde, eine Art Reichs-Ministerium; der Bundesrat ist viel-
mekr als die Dertretung der verbündeten Regierungen
die Dertretung des Trägers der Reichsso uveränität.
Theoretisch ist nach dem formalen Staatsrecht der Bundesrat
das oberste Organ des Reiches. Dies tritt auch praktisch darin
hervor, daß der Zundesrat — darüber ist die Wissenschaft ganz
einig — in Ausübung des obersten staatlichen Boheitsrechtes
den Zeichsgesetzen die Sanktion erteilt (Rb. Art. 7 Siff. 1); daß
dem Bundesrat ein weitausgedehntes selbständiges Derordnungs-
recht zusteht (Rh. Art. 2 Siff. 2 u. 3)#), von dem er den um-
fassendsten Gebrauch macht; daß dem Bundesrat die oberste
Entscheidungsgewalt in allen Dingen des Derhältnisses der
Einzelstaaten unter sich und zum Keiche gebührt; daß alle Ent-
scheidungen des Bundesrates endgültig und unabänderlich —
außer durch ihn selbst — sind.
Fürst Zismarck hat einmal die Bedeutung des Bundes-
rates mit den vielzitierten Worten charakterisiert: „im Bundesrat
stimmt nicht der Freiherr von Friesen, sondern das Königreich
Sachsen stimmt durch ihn; nach seiner Instruktion gibt er ein
Dotum ab, welches sorgfältig destilliert ist aus all den Kräften,
die in Sachsen zum äöffentlichen Leben mitwirken; in dem Dotum
1) „Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrates den
üblichen biplomatif en Schutz zu gewähren“ (Art. 10).
*:) „Der Zundesrat beschließt: 1. über die dem Reichstage zu
machenden Vorlagen und die von demselben gefaßten Beschlünse; 2. über
die zur Ausführung der Reichsgesetze erer erlichen allgemeinen Der-
waltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Feichgeses
etwas anderes bestimmt ist; 3. über Mängel, welche bei der Ausführung
der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Ein-
richtungen hervortreten.“