58 Die Grganisation der Reichs-Staatsgewalt.
erster Satz) 1). Aber, wie oben dargelegt, dies Kaisertum ist
nicht eine einfache Monarchenstellung mit jener monarchischen
Vollgewalt, die vor Aufrichtung des Zeiches der König von
Dreußen und die übrigen deutschen Fürsten für ihre Länder
Rnatten. Dom rein formalen Zechtsstandpunkte aus betrachtet
ist das heutige deutsche Kaisertum ein schwieriges und kompli-
ziertes Gebilde.
Aber der formale Rechtsstandpunkt reicht nicht immer aus,
ein staatsrechtliches Gebilde zu erfassen: das ist die Schwäche
des Staatsrechtes gegenüber anderen Rechtsdisziplinen und —
seine Stärke. Blicken wir offenen Auges binaus ins LCeben, so
finden wir in den tatsächlichen Verhältnissen keinen Unterschied
zwischen dem deutschen Kaisertum und dem Kaisertum anderer
Staaten. Und auch im formellen Rechte hat der rein monarchische
Gedanke für unser Kaisertum sich teils schon in der Reichs-
verfassung an einzelnen Hunkten durchgesetzt, teils in der späteren
Rechtsentwicklung Anerkennung gefunden. Und wie diese Dinge
im internationalen Leben der Welt sich gestaltet haben, ist all-
gemein bekannt.
Aber nach der Derfassung sind die Zechte des Kaisers
einzelne, wenn auch noch so bedeutsam. Die wichtigsten kaiser-
lichen Regierungsrechte sind folgende:
I1. Kaiserliche Regierung sind die auswärtigen
Angelegenheiten. Dem Kaiser hat die Derfassung Art. 112)
übertragen die „völkerrechtliche Dertretung des KReiches“, die
Hertretung der Interessen des deutschen Staates und Dolkes im
Rate der Tationen, die Wahrung der Stellung Deutschlands in
der Welt und gegenüber der elt, den Schutz deutschen Landes,
deutscher Ehre und deutscher Arbeit durch die friedlichen Mittel
der Diplomatie und der Konsuln und, wenn es nötig ist, durch
das deutsche Schwert; versteckt fast, am Schlusse des Art. 3 steht
das gewaltige Wort: „dem Auslande gegenüber haben
1) „Das Hräsidium des Zundes steht dem Könige von Hreußen zu,
welcher den Tiamen Deutscher Naiser führt.“
":) „Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Mamen
des Reichs Urieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und
andere Derträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen
und zu empfangen. Fur Erklärung des Krieges im Mamen des B n
ist die Fustimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daß
Angriff auf das Zundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.“