Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

Die Vorgeschichte des Reiches. 3 
genialste Teil der Lebensarbeit unseres großen Reichs- 
kanzlers, der in Frankfurt als Bundestagsgesandter 
klar erkannt hatte, daß okne diese Garantien der ganze 
Bund gar nichts sei. 
wie die Erfahrung in dem nunmehr vier Jahrzebnte alten 
Staatsleben des deutschen Gesamtstaates gezeigt hat, liegen die 
Schwierigkeiten der Entwickelung bei uns in Deutschland nicht 
mehr darin, die mehr als zwei Dutzend Regierungen, die 
Zundesfürsten, zur notwendigen Einheit im Reiche zusammen- 
zuschließen und zusammenzuhalten; die Befürchtungen, die anfangs 
— khistorisch nicht obne Grund — nach dieser Richtung gehegt 
wurden, haben sich als gänzlich ungerechtfertigt erwiesen. Dank- 
bar muß vielmehr anerkannt werden, daß die deutschen Fürsten 
der Entwickelung der deutschen Einheit, seit sie besteht, auch 
nicht die mindesten Schwierigkeiten bereitet haben: der Bundesrat 
hat sich vollkommen bewährt. 
Die Schwierigkeiten der Entwickelung liegen viel- 
mehr im deutschen Dolke und demjenigen Organe des 
Reiches, das verfassungsmäßig am stärksten und stolzesten den 
Gedanken der deutschen Sinheit darstellen sollte: dem Reichstag. 
Die partikularistischen, die endlich so mühsam errungene deutsche 
Einheit auf's schwerste gefährdenden Strömungen und Strebungen 
sind viel stärker im Dolke als bei den Regierungen, teils in 
direkter Feindschaft gegen den Staat, durch dessen wellhistorische 
Arbeit das heutige Reich geschaffen wurde, teils in Unwissenheit 
und daraus hervorgehender Überhebung gegenüber dieser welt- 
Ristorischen Arbeit von Brandenburg-Hreußen für Deutschland, 
teils endlich in Derfolgung von politischen Interessen, die direkt 
gegen die Grundlagen des Weiches gerichtet sind oder die in- 
direkt wider das Reichsinteresse streiten, indem dieses abhängig 
gemacht wird von anderweitigen, sei es konfessionellen, sei es 
rein wirtschaftlichen Interessen. 
Diese Ristorische und politische Unreife des deutschen Dolkes 
hat zur Folge eine Sersplitterung der Harteien in der Dolks- 
vertretung, dem Deutschen Reichstage, die der Regierung jede 
Möglichkeit nimmt, das Staatswesen nach den Hrinzipien des 
konstitutionellen Staatsgedankens zu gestalten und zu entwickeln; 
dadurch, daß eine Mehrbeit im Reichstage nur gewonnen werden 
kann durch Harteikombinationen, unter Umständen durch Kombi- 
nationen entgegengesetzter Harteien, wird die Gesetzgebung und 
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