Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

72 Die Organisation der Reichs -Staatsgewalt. 
konstituierende Reichstag wurde der Reichsverfassung als orga- 
nischer Bestandteil dauernd eingefügt. 
Die Reichsverfassung bestimmt demgemäß, daß der Reichs- 
tag aus allgemeinen direkten Wahlen mit geheimer 
Abstimmung hervorgebt (RK. Art. 20) 1). Die näheren 
Dorschriften hierüber enthält das, dem Reichswahlgesetz von 
1840 genau nachgebildete Reichswahlgesetz v. 51. Mai 1800, 
kraft dessen für den Norddeutschen Zund 207 Abgeordnete zu 
wählen waren, denen inzwischen für das Reich noch weitere 
100 Rinzutreten, so daß Reute die Mitgliederzahl des Reichstags 
507 beträgt; davon entfallen auf Hreußen 235, Bavern 48, 
Sachsen 23, Württemberg 17, Elsaß-Cothringen 15, Baden 14, 
Besseen 0, Mecklenburg-Schwerin 6, Sachsen-Weimar, Gldenburg, 
Braunschweig, Ramburg je 3, Sachsen-Meiningen, Sachsen- 
Koburg-Gotha, Anhalt je 2, während alle übrigen (elf) Staaten 
je einen Abgeordneten wählen. Die Grundlage für die Der- 
teilung der Abgeordneten bilden die beiden Sätze: erstens auf 
je 100000 Seelen — nach der Bevölkerungsziffer von 1867 — 
soll ein Abgeordneter entfallen; zweitens die Wahl erfolgt nach 
den Grenzen der Einzelstaaten, so daß in jedem Einzelstaat 
mindestens ein Abgeordneter gewählt wird (Wahlges. § 5 verb. 
RP. Art. 20 Abs. 2). Eine eventuelle Vermehrung der Zahl 
der Abgeordneten infolge der steigenden Zevölkerung, die nur 
durch Gesetz erfolgen könnte, ist vorgesehen, aber nicht vor- 
geschrieben, auch nicht ohne weiteres aus dem Sinn des Ge- 
setzes zu folgern- (Wahlges. § 5 Abfs. 3). 
Trotz der durch dußere Gründe — die amtliche Dor- 
bereitung der Wahlen — veranlaßten Vorschrift, daß die 
Wahlen zum Beichstag im Rabhmen der Einzelstaaten erfolgen, 
erklärt die Verfassung die Mitglieder des Reichstages, in welchem 
Wahlbezirk und Einzelstaat sie auch gewählt sein mögen, als 
Dertreter des ganzen deutschen Dolkes und verbindet mit 
diesem großen Grundsatz den anderen großen konstitutionellen 
Gedanken: die Volksvertreter sind an Aufträge und In- 
struktionen nicht gebunden (K. Art. 20) . 
Die näheren Vorschriften zur Ausführung des Hrinzipes 
der allgemeinen direkten Wahlen finden sich in den Bestimmungen 
1) „Der BReichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit 
geheimer Abstimmung hervor.“ 
) Den Wortlant f. oben S. 24 Uote 1.
	        
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