Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

Staats- und Verwaltungsrecht 
Von Geh. Justizrat Dr. Jorn, Professor an der Aniversität Bonn 
Mitglied des Herrenhauses und Kronsyndikus 
I. Das Reich 
In den letzten Wintertagen des Jahres 1888 war der erste, in den letzten Frühlings- 
tagen des gleichen Jahres war der zweite Kaiser des neuen Deutschen Reiches heim- 
gegangen in die Wohnungen des ewigen Friedens. Das durch Hohenzollernkraft und 
Hohenzollernweisheit geschaffene Reich der Siegeshelden Wilhelms des Großen und 
Friedrichs des III. trat ein in die neue Epoche Wilhelms des II. In starker Wehr und ge- 
sicherten inneren Verhältnissen ging das Reich aus der Hand der beiden Kaiser, die es 
im Kriege geschaffen hatten, im Frieden über an den dritten Kaiser. Das Vierteljahr- 
hundert der Regierung Wilhelms II. war eine Epoche innerer Entwickelung, wie sie 
ähnlich bedeutend die Geschichte des deutschen Volkes nur in wenigen Albschnitten, 
wie sie insonderheit für Handel und Wandel, für das gesamte Erwerbsleben des Vol- 
kes, die deutsche Geschichte überhaupt in keiner früheren Zeitperiode aufzuweisen 
hat. Oiese Entwickelung gibt der im folgenden zu besprechenden Gesetzgebung des 
Reiches und seiner Präsidialmacht Preußen in dieser Zeitperiode den charakteristischen 
Stempel. 
1. Die Reichsverfassung und die Grundlagen des Reiches 
Die Verfassung, welche seit 1. Zuli 1867 das unendlich schwierige Problem des 
deutschen Bundesstaates mit preußischer Hegemonie und kaiserlicher Spitze ge- 
löst hatte, blieb im wesentlichen unverändert. Die Entwickelung seit 1867 hatte, ins- 
besondere seit und durch Erlaß des sog. Stellvertretungsgesetzes vom 17. März 1878, 
das dem Reichskanzler verantwortliche Staatssekretäre hinzufügte, feste Linien gezogen, 
in denen auch in der Regierungszeit Wilhelms II. das Staatsleben des Reiches sich sicher 
und stetig weiterentwickelte. 
1. Has Reichsgebiet. Gebietsveränderungen des Reiches erfolgten nicht in erheb- 
lichem Umfange;z es sind hier nur mehrfache Grenzfeststellun- 
gen an der österreichischen, schweizerischen und dänischen Grenze zu neunen; ferner ist zu 
erwähnen die Aufhebung des merkwürdigen schwedischen Pfandrechtes, in dem die 
mecklen burgische Stadt Wiemar bis 1905 stand. ANur eine Gebietsveränderung von 
  
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