Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Die Selbstverwaltung. 69 
  
dieser Steuerquellen geführt. Erfolgt die Besteuerung des Gewerbes auch überwiegend 
nach dem Maßstabe des Ertrages — in Preußen zumeist unter Erhebung von Prozenten 
der als Staatssteuer ebenso wie die Grund- und Gebäudesteuer außer Hebung gesetzten, 
aber noch staatlich veranlagten Gewerbesteuer — so finden sich daneben doch auch den 
örtlichen, besonderen Verhältnissen angepaßte Sondergewerbesteuern nach dem 
Anlage- und Betriebskapital, dem Betriebsumfang, der Zahl der im Betriebe beschäftigten 
Personen u. dergl. m. Eine sehr erhebliche Bedeutung haben freilich derartige besondere 
Gewerbesteuern wegen der großen Schwierigkeit der Gewinnung allgemein zutreffender, 
sachlich gerechtfertigter Veranlagungs-Merkmale bisher nicht gefunden. 
Dagegen ist man bei der Besteuerung des 
Grundbesitzes von der früher auch hier all- 
gemein üblichen Ertragsbesteuerung immer mehr in Deutschland zurückgekommen 
und dazu übergegangen, den „gemeinen Wert“ — d. h. den unter Außerachtlassung 
etwaiger besonderer Vorliebe im allgemeinen Verkehr für jeden Dritten vorhandenen 
Wert — zur Besteuerungsgrundlage zu machen. Wesentlich im Anschluß an man- 
cherlei berechtigte Klagen bei der Ausgestaltung wie Handhabung der Reichszuwachs- 
steuer wird neuerdings seitens der Interessenten des Grundbesitzes gegen seine Be- 
steuerung nach dem gemeinen Werte ein scharfer Vorstoß unternommen. Oiese über- 
wiegend auf unrichtiger Verallgemeinerung oder schiefer Auffassung von Einzelfällen 
beruhenden Angriffe dürften aber den berechtigten Kern der Steuern nach dem gemeinen 
Wert nicht treffen, der unzweifelhaft darin liegt, einen Besteuerungsgegenstand nach 
seinem erkennbarsten Merkmale zur Aufbringung der Lasten der Gesamtheit mit heran- 
zuziehen, die durch ihre Wirksamkeit an der Hervorbringung dieses Merkmales zum min- 
desten sehr wesentlich mit beteiligt ist. Daß Härten, die auch eine grundsätzlich richtige 
Durchführung steuerlicher Probleme mit sich bringen kann, nach bestem Vermögen be- 
seitigt werdemn müssen, versteht sich von selbst. 
Besteuerung des Grundbesitzes. 
  
Die Personalbesteuerung ist mehr oder weniger in 
ganz Deutschland auf die Erhebung von Zuschlägen zu 
den staatlichen Einkommensteuern abgestellt und fast überall diejenige der direkten 
Steuern, welche den Löwenanteil des Gemeindesteuerbedarfes aufzubringen 
hat. Daß ihre zu starke Belastung durch die Gemeinden vom Standpunkt der Staats- 
finanzen ernste Bedenken erregen muß, ist selbstverständlich. Man hat deshalb auch in 
Preußen bei der Reform des Gemeinde-Abgaben-Wesens zur Vermeidung über- 
mäßiger Belastung der Einkommensteuer bestimmte gesetzliche Verteilungsregeln für die 
Oeckung des Steuerbedarfes durch die Realsteuern einer- und die Personalsteuer anderer- 
seits aufzustellen versucht. Trotzdem hat die Entwickelung der Gemeindelasten seit jener 
Reform — zumal der das Interesse des Staates am wesentlichsten berührenden und von 
ihm erheblich beeinflußten Schullasten — doch keine nennenswerte Verminderung der 
Gemeindezuschläge zur Einkommensteuer ermöglicht. Wurden doch im Jahre 1911 in 
Preußen in 956 der insgesamt 1277 Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern über 
Personalbesteuerung. 
  
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