II. Buch. Die Reichsversicherung. 89
Belohnungen für parteipolitische Dienste darstellen. Der hohe ethische Wert, der in der
Stellung der Mitglieder der Organe der Versicherungsträger liegt, äußert sich auch in der
Haftung für getreue Geschäftsverwaltung nach dem Muster der Vormünder. Strenge
Vorschriften sichern hier eine einwandfreie Verwaltung. Es soll aber auch vorgebeugt
werden, daß die Arbeiter im Ehrenamt von diesem ferngehalten werden. Deshalb haben
die Vertreter der Versicherten ihrem Arbeitgeber jede Einberufung zu den Organen
anzuzeigen. Tun sie es rechtzeitig, so gibt das Fernbleiben von der Arbeit dem Arbeit-
geber keinen wichtigen Grund, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungs-
frist zu lösen. Allerdings ist kein Arbeitgeber gehindert, die Beteiligung des Bersicherten
am Ehrenamt zum Anlaß der gesetzlich 14tägigen oder event. vertraglich noch kürzeren
Kündigungsfrist zu nehmen.
Träger der Angestelltenversicherung ist die Reichsversicherungsanstalt für Ange-
stellte, die ihren Sitz in Berlin hat, eine öffentliche Behörde und rechtsfähig ist. Als
Organe sind gesetzlich bestellt das Direktorium, der Verwaltungsrat, die Rentenaus-
schüsse und die Vertrauensmänner. Die Abgrenzung ihrer Funktionen muß hier dahin-
gestellt bleiben. Daß in den Rentenausschüssen die Beisitzer teils aus den Arbeitgebern,
teils den Angestellten entnommen werden, weist ebenso auf die Selbstverwaltung hin,
wie daß die Vertrauensmänner je zur Hälfte aus diesen beiden Kategorien gewählt
werden müssen. Man mag mit Fug bezweifeln, ob es notwendig war, die Berwaltung
auf Grund des Angestelltenversicherungsgesetzes einer besonderen Behörde zu über-
tragen, ob nicht am besten das Reichsversicherungsamt sich auch zur Übernahme der
Funktionen um so mehr geeignet hätte, als es doch eine fast auf ein Menschenalter zurück-
reichende Erfahrung angesammelt hat. Es ist aber nun einmal die verschiedenartige
Organisation Gesetz geworden. Daß sie besonders einfach gestaltet ist, kann man nicht
sagen; hoffentlich wird es der Hemmungen nicht allzu viele geben.
Der Grundgedanke der Vereinheitlichung hat, wie
dargelegt, nicht dazu führen können, einen einzigen
Versicherungstopus zu schaffen, der nicht nach den
Voraussetzungen der Fürsorgebedürftigkeit, also nicht nach Krankheit, Unfall, Invalidität
usw. differenziert ist. Aber er ist doch in einer großen Anzahl von Beziehungen, infolge
Annäherung der Rechtsgedanken und Einrichtungen, die in den verschiedenen Zweigen
der Versicherung zerstreut lagen, durch die Reichsversicherungsordnung zur Geltung
gekommen. Abgesehen von der Ubereinstimmung in den wichtigsten Grundbegriffen,
wie Ortslohn, Beschäftigungsort und Entgelt, Landwirtschaft, Hausgewerbetreibenbe usw.
gehört insbesondere der Aufbau der Versicherungsbehörden, in dem sich eine Berein-
fachung und eine für sämtliche Versicherungszweige maßgebende sachliche Grundlage
darbietet, unter diesen Gesichtspunkt. In architektonisch klarer und sicherer Weise sind in
dreifacher Steigerung Bersicherungsämter, Oberversicherungsämter und das Reichsver-
sicherungsamt übereinandergesetzt. Neu sind freilich die beiden letzteren nicht, da das
Reichsversicherungsamt schon lange bestand und die Oberversicherungsämter nur eine
verbesserte Form der Schiedsgerichte der Arbeiterversicherung darstellen. Dagegen ist
Gemeinsame Grundlagen
der Versicherungszweige.
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