III. Buch. Das Strafrecht. " 33
allgemeiner Zustimmung sicher. Es fragt sich nur, ob er in dem rasch zustande gekommenen
Gesetz in den richtigen Grenzen verwirklicht ist. In dieser Hinsicht ist folgendes zu be-
tonen. Zunächst: ein gewaltiger Prozentsatz aller Diebstähle wird „aus Not“, d. b.
aus wirtschaftlicher Bedrängnis, begangen. Diese Erfahrungstatsache kennzeichnete ein-
mal ein alter, erfahrener Praktiker durch den Ausspruch: „Wer Gelk hat, stiehlt nicht.“
Ahnlich steht es mit der Unterschlagung. Natürlich gibt es auch genug andere Fälle.
Aber die große Zahl der Entwendungen aus Not läßt sich nicht bestreiten, und vielleicht
beinahe ebenso groß ist die Zahl derjenigen, in denen die Not ohne Möglichkeit der Wider-
legung wenigstens behauptet wird. Auch diese Fälle fallen aber unter das Gesetz. Ferner
ist nicht zu leugnen, daß wohl die Mehrzahl aller Diebstähle sogenannte „kleine“ Dieb-
stähle sind, die an Gegenständen von „geringem Wert“ begangen werden, wobei noch
die Unbestimmtheit und Dehnbarkeit dieses Begriffes in Betracht kommt). Ist demnach
das Anwendungefeld des neuen Paragraphen ein sehr weites, so dürfte es auch nicht
wesentlich eingeschränkt werden durch das Erfordernis, daß die wirtschaftliche Be-
drängnis der Beweggrund zur Tat gewesen sein muß. Denn dies wird regelmäßig an-
genommen werden müssen, wo nicht besondere Umstände auf einen anderen Beweg-
grund hinweisen. Bei dem unzweifelhaft sehr großen Umfang, in dem also durch das
neue Gesetz die Energie der Strafandrohung gegen den Diebstahl geschwächt wird, und
den insbesondere Landwirte, Kaufleute, industrielle Unternehmungen und andere Ge-
werbebetriebe bald empfindlich kenmnen lernen dürften, werfen sich unwillkürlich folgende
Fragen auf: *
1. War es richtig, auf die Verschuldung der Not durch den Täter keine Rücksicht
zu nehmen? Auch Träge, Liederliche, Arbeitsscheue, Landstreicher, ja gewohn-
beits- oder gewerbsmäßige Diebe, befinden sich oft in Not. Sollen diese alle
der weitgehenden Milde teilhaftig werden? Oder kann von der Rechtsprechung
eine Ausscheidung solcher vom Gesetz nicht ausgeschiedenen Fälle erwartet werden?
2. War es zweckmäßig, das Objekt der Tat auf alle Gegenstände von geringem
Wert zu erstrecken, statt es, wie der Vorentwurf zu einem neuen Strafgesetz-
buch tut, auf Nahrungs- und Genußmittel und Gegenstände des wirtschaftlichen
Gebrauchs oder Verbrauchs, oder in ähnlicher Weise zu beschränken??
S. Ist es zu billigen, daß der Versuch im ganzen Bereich des Paragraphen nicht
strafbar ist7)
4. War ee richtig, hier den Rückfall, und sei er noch so oft wiederholt, nicht als straf-
schärfend zu berücksichtigen, ebensowenig irgendwelche erschwerende Umstände?
S. Ist das Antragserfordernis überall im ganzen Umfang des Gesetzes beizubehalten?
1) In NG. Entsch. XLVI, 408 ist darüber gehandelt, ob ein mittels Erbrechens von Behältnissen gestoh-
lenes Zwanzigmarkstück ein geringwertiger Gegenstand sei. Vom L6. bejaht, vom . verneint.
:) Zn dem Falle RG. Entsch. XLVI, 205 handelte es sich um einen an Raub grenzenden Oiebstahl in
einem Warenhause an einer Handtasche, die eine Frau unter dem Arme trug, begangen von einem Manne,
der seit einigen Wochen „ohne ertragbringende Arbeit war“.
2) In dem Anm. 1 erwähnten Falle war die Tat an sich als unter den Paragraphen fallend angesehen,
und es war wegen Straflosigkeit des Versuchs, da es bei einem solchen geblieben war, freigesprochen. Vom.
NK. zwar nicht gebilligt, jeboch aus anderen, hierher nicht gehörigen Gründen.
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