38 Das Strafrecht. III. Buch.
Sinne gemeines Strafrecht seien. In das Strafgesetzbuch gehörten nur jene den Kern
betreffenden Vorschriften. So gelangte der Vorentwurf dazu, überhaupt nur zwei
Nebengesetze einzubeziehen, nämlich dasjenige gegen den Verrat militärischer Geheim-
nisse, das mit einigen Anderungen in den Abschnitt über Landesverrat ausgenommen
wurde, und das Gesetz, betr. die Bestrafung der Entziehung elektrischer #rbeit, das
durch eine Bestimmung des Begriffs „bewegliche Sache“ entbehrlich werden sollte.
Auch die Strafbestimmungen über den Bankerott usw. beließen die Verfasser des
Vorentwurfs in der Konkursordnung, weil es nicht angemessen sei, diese durch
Ubernahme jener Strafvorschriften in das Strafgesetzbuch zu zerreißen, eine Revision
dieser Strafvorschriften zurzeit nicht notwendig sei und wenn sie notwendig werden
würde, zweckmäßig nur im Zusammenhange mit der des ganzen Konkursverfahrens
erfolgen könne. ·
Eine zweite, vom Vorentwurf nicht erfüllte Forderung vieler Reformfreunde ist
die Ausscheidung der Ubertretungen und überhaupt der gesamten sogenannten polizei-
lichen Strafgesetze aus dem Strafgesetzbuch. Diese Ausscheidung hält der V. E. für
kaum möglich, weil der Begriff des sog. polizeilichen Unrechts nicht lar zu bestimmen
und von den Rechtsdelikten abzugrenzen sei, sowie für unzweckmäßig, weil diese Aus-
scheidung, die übrigens auch in den Nebengesetzen vorgenommen werden müßte, gleich-
zeitig die Schaffung eines Reichs-Polizei-Strafgesetzbuches voraussetze, der sich die größten,
kaum zu überwindenden Schwierigkeiten entgegenstellen würden. Daher würde durch
Erfüllung jener Forderung die ganze NReform nur gefährdet, jedenfalls aber stark ver-
zögert und erschwert werden.
Der Inhalt. Was den Inhalt des Vorentwurfs anbetrifft, so knüpft er, wie in der
Einleitung auedrücklich betont ist, an die bistorische Entwicklung an.
„Ein Strafgesetzbuch aus der Rechtsphantasie heraus schaffen zu wollen, wäre geradezu ein
schwerer Mißgriff. Auf beinahe keinem Gebiet ist die Anknüpfung an die historische Entwick-
lung ein so dringendes Erfordernis, wie hier, wo es sich einerseits um die schwersten gesetz-
Eingriffe des Staates in das Leben der Bürger, andererseits um den Schutz von Staat
und Bevölkerung handelt. Wie die gesamte menschliche Entwicklung, so schreitet auch
das Recht nicht sprungweise, sondern schrittweise und stufenweise vorwärts. Wer sich
vermessen wollte, dieses natürliche Gesetz nicht zu beachten, würde den sicheren Boden
unter den Füßen verlieren und ein Strafrecht schaffen, das vielleicht überhaupt nicht,
oder nur für eine ferne Zukunft, jedenfalls aber nicht für die Gegenwart, für die er
schaffen soll, brauchbar und möglich wäre. Der Entwurf hält es daher für seine richtig
verstandene Aufgabe, in strenger Anknüpfung an das bistorisch Gewordene das allge-
meine Strafrecht auf diejenige Stufe zu heben, die nach den jetzt herrschenden Uber-
zeugungen als die nächst höhere anzusehen ist“1).
Diese nächst höhere Stufe erblickt der Entwurf in einer Verschmelzung des bis-
herigen Rechts mit einer Anzahl von Forderungen der modernen Schule. Er will also
ein Kompromiß und ist bekanntlich in dieser Hinsicht dem ziemlich gleichzeitig, jedoch
1) Begründung I, Einleitung S. IX.
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