Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II Luch. « Völkerrecht. * 
  
und wirtschaftlich zusammenzufassen, um diesem Panamerika das Ubergewicht nicht bloß 
über das alternde Europa, sondern die Herrschaft in der ganzen Welt zu verschaffen. 
Nicht anders steht es mit den Rassengegensätzen. Wenn auch die schwarze Rasse, 
die sich gegen die Herrschaft der Weißen auflehnt, nicht weiter in Betracht gezogen wer- 
den soll, so besteht doch der uralte Gegensatz zwischen Ariern und Mongolen#) auch heute 
noch trotz der Aufnahme mongolischer Staaten in die völkerrechtliche Gemeinschaft. 
Es ist nicht zu erwarten, daß die mongolischen Völker, die nach Hunderten von Millionen 
zählen und im Besitze einer uralten, auf hoher Stufe stehenden Zivilisation und Kultur 
stehen, sich die jetzt tatsächlich bestehemde wirtschaftliche und politische Herrschaft der Weißen 
in der Welt dauernd gefallen lassen. Im Gegenteil werden sie suchen, diese Herrschaft 
zu beseitigen; der darüber entstehende Kampf wird sicherlich nicht bloß mit friedlichen 
Mitteln geführt werden. Wenn unter diesen Umständen von der Unmöglichkeit der 
Bildung einer Weltföderation gesprochen wird, so entspricht dies zweifellos den tatsäch- 
lichen Verhältnissen, wie sie nicht bloß gegenwärtig bestehen, sondern im wesentlichen 
auf absehbare Zeit bestehen werden. 
Bei Staaten und Völkern, die durch solche Gegensätze getrennt sind, ist wohl eine 
so lockere Verbindung, wie sie gegenwärtig in der völkerrechtlichen Gemeinschaft besteht, 
möglich, dagegen ist eine Föderation, mag sie auch nur staatenbündlichen Charakter 
haben, der Natur der Sache nach ausgeschlossen. Wenn es aber selbst gelingen sollte, 
das Unmögliche möglich zu machen und eine Weltföderation zu schaffen, so wäre damit 
wenig erreicht. Nicht einmal der Krieg wäre aus der Welt geschafft, ein Ziel, das ja bei 
dem Streben nach einer Weltföderation für die Pazifisten in erster Linie steht. Ganz 
abgesehen davon, daß jede mit Gewalt durchgeführte Bundesezekution, die schließlich 
keine Föderation entbehren kann, doch nur ein anderer Name für Krieg gegen das wider- 
strebende Bundesmitglied ist, sind auch bei keiner Föderation, wie der Schweizer Sonder- 
bundkrieg vom Fahre 1847, der nordamerikanische Sezessionskrieg in den sechziger 
Zahren des vorigen Zahrhunderts und der Deutsche Krieg von 1866 schlagend beweisen, 
unter den Mitgliedern einer Föderation Kriege ausgeschlossen, die auf eine Vernichtung 
des Bundesverhältnisses abzielen. Daß Anlaß zu solchen Kriegen bei einer aus so ver- 
schiedenartigen, sich selbst feindlich gegenüberstehenden Elementen bestehenden Welt- 
föderation oft genug gegeben sein wird, liegt auf der Hand. 
Aber auch positive Vorteile wird eine solche Föderation nicht haben. Soweit zweifel- 
lose gemeinsame Interessen der völkerrechtlichen Gemeinschaft gegeben sind, können sie 
jetzt schon befriedigt werden und werden auch, wie die Erfahrung zeigt, befriedigt. #uch 
in einer Weltföderation müßte man doch bei der Frage, welche Ziele und Aufgaben 
dieselbe verfolgen soll, Einstimmigkeit der Mitglieder verlangen. Würde man sich aber 
mit Mehrheitsbeschlüssen der Organe der Föderation begnügen, so wäre damit nicht bloß 
die Souveränität der einzelnen Staaten nahezu vernichtet, sondern es wäre auch die 
Möglichkeit gegeben, einzelne Staaten geradezu zu unterdrücken oder doch in ihren 
Onteressen zu schädigen, und zwar nicht bloß kleine und schwache Staaten, sondern auch 
Großstaaten, wenn sich dieselben einer erdrückenden Mehrheit gegenüber befinden. 
1)) Vgl. Spielmann, Arier und Mongolen, 1905. 
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