Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bergbau und Hüttenwesen. 81 
  
Oie Harstellung des Fluß- Die Bedingungen zur Erzeugung von Flußeisen in 
dem sauer zugeftellten Konverter liegen in Deutschland 
infolge des Mangels an geeigneten Erzen nicht 
günstig. Trotzdem wurde im Jahre 1882 eine Produktion von annähernd 800 Kilotonnen 
erreicht. In den folgenden Jahren erwuchs jedoch dem Bessemerstahl ein gefährlicher 
Konkurrent durch das nach dem basischen Verfahren, dem Thomasprozeß, hergestellte 
Material, so daß bereits im Jahre 1884 die Produktion an Thomasmaterial in Deutsch- 
land diejenige an Bessemerstahl überflügelte. Im Zahre 1887 betrug die Erzeugung 
an letzterem nur noch etwa 300 Kilotonnen. Wenige Werke benützten in der Folge 
diesen Prozeß, so daß dessen Bedeutung für die deutsche Eisenindustrie sich von Zahr zu 
Jahr verringerte und im Jahre 1912 die Produktion auf rund 187 Kilotonnen zu- 
rückging. 
Dagegen hat das Windfrischverfahren im basisch zugestellten Konverter in unserem 
Vaterlande einen beispiellosen Aufschwung genommen. Es sind viele einschneidende 
technische Verbesserungen erzielt worden, und eine wesentliche Steigerung der Quali- 
tät des erzeugten Produktes ging mit einer gewaltigen Produktionsvermehrung Hand 
in Hand. Die Ursachen für diese großartige Entwicklung sind darin zu suchen, daß im 
Südwesten Oeutschlands sich ausgedehnte Lager geeigneter Erze vorfanden, und daß 
fervrer die Thomasschlacke, deren Menge etwa 30% des erzeugten Stahles beträgt, 
eine lohnende Verwendung in der Landwirtschaft fand, wodurch die Selbstkosten 
wesentlich heruntergedrückt wurden, so daß kein anderes Flußeisenherstellungsverfahren 
den Wettbewerb mit dem Thomasprozeß auf die Hauer aushalten konnte. Außerdem 
war der Ubergang vom Bessemerverfahren zum Thomasprozeß möglich, ohne daß die 
Einrichtung der Werke eine wesentliche Beränderung erfahren mußte, was für die rasche 
Verbreitung des Thomasverfahrens von großer Bedeutung war. 
Das Umschmelzen des Roheisens erfolgte wie beim Bessemerprozeß meist im Kupol- 
ofen. Der auf manchen Hütten eingeführte direkte Betrieb vom Hochofen hatte infolge 
der ungleichmäßigen Zusammensetzung der einzelnen Abstiche manche Nachteile im Ge- 
folge. Diese Mißstände wurden durch die im Jahre 1891 erfolgte Aufstellung eines 80-Ton- 
nenmischers auf der Hörder Hütte beseitigt. In diesen Mischern, deren Fassungsvermögen 
stetig vergrößert wurde, so daß dasselbe heute in einzelnen Fällen 1000 und mehr Tonnen 
beträgt, wird ein Ausgleich in der Zusammensetzung des Roheisens erzielt und gleich- 
zeitig das von Hilgenstock in Hörde erfundene Entschwefelungsverfahren durchgeführt. 
Eine weitere Verbesserung war die Anwendung des von dem Engländer Darby erfun- 
denen Rückkohlungsverfahrens, das durch die Hütte Phöniz weiter ausgebildet und dem 
Thomasprozeß angepaßt wurde. Es war dadurch möglich, hartes Material mit niedrigem 
Mangangehalt zu erzeugen. 
Das Zwei-Konvertersystem mit halbkreisförmiger Gießgrube vor den Konvertern, 
die ein hydraulischer Kran bediente, genügte bei der steigenden Produktion nicht mehr, 
und man war deshalb gezwungen, drei Birnen im Kreise anzuordnen, die durch einen 
besonderen Ubergabekran mit der nunmehr kreisförmigen GEießgrube in Verbindung 
standen. Als jedoch auch diese Einrichtung nicht mehr ausreichte und mehr als drei 
  
eisens im Konverter. 
  
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