Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bergbau und Hüttenwesen. 85 
  
Köstöfen für Blenden sind ebenfalls wesentliche Fortschritte zu verzeichnen. Die Kon- 
struktion der Ofen und der Feuerung wurde verbessert, ebenso sind in der Herstellung der 
Ketorten und Muffeln, sowie namentlich auch in den Kondensationsvorrichtungen für 
die Zinkdämpfe zum Teil Fortschritte erzielt worden. Die Zinkgewinnung belief sich 
im Jahre 1887 auf rund 34500 Tonnen, bis 1912 war sie auf 271064 Tonnen angewach- 
sen und steht damit an zweiter Stelle unter den Kulturstaateen. Der Anteil an der Welt- 
produktion, der im Jahre 1887 noch 44% betrug, ist jedoch auf 2709 im Jahre 1912 
gesunken. 
Blel. Die am Ausgange des 19. Jahrhunderts bestehenden Bleigewinnungs- 
prozesse haben im Laufe der beiden letzten Zahrzehnte einschneidende Ver- 
besserungen erfahren, und zwar in erster Linie durch eine wesentliche Vereinfachung 
des NRöstverfahrens. Gerade das Rösten des leicht schmelzbaren Bleiglanzes und seiner 
ebenso leicht schmelzbaren Oxpdationsprodukte machte diesen Teil der Bleierzverhüttung 
zu der mühsamsten und wegen der Giftigkeit des bleiischen Staubes und Rauches zu der 
gesundbeitsschädlichsten Arbeit der wichtigsten Hüttenbetriebe. Wenn man nun schon 
in einzelnen Bleihütten, wie z. B. in Lautenthal, ein die Vorröstung des Bleiglanzes 
vermeidendes Schmelzverfahren, die sog. Niederschlagsarbeit, mit Erfolg eingeführt 
hatte, so haben die beiden Hütteningenieure Huntington und Heberlein (letzterer jetzt 
Mitglied des Oirektoriums der Metallurgischen Gesellschaft in Frankfurt) das Blei- 
hüttenwesen endgültig von dieser todbringenden Arbeit befreit. Dieses Verfahren und 
seine durch Savelsberg, Carmichael und Bradford ausgearbeiteten Modifikationen 
haben die schwierige Röstarbeit in einem einfachen, durch eingeblasenen Wind beschleunig- 
ten und fast ohne menschliche Handarbeit automatisch verlaufenden Verbrennungsprozeß 
umgewandelt, welcher die Leistungsfähigkeit der Bleihütten vergrößerte, den Raum- 
bedarf der Rösthütten verringerte und die unmittelbare Verarbeitung der Röstgase auf 
Schwefelsäure ermöglichte. Das Röstprodukt ist porös und doch fest genug, um ohne 
Schwierigkeit in Schachtöfen reduzierend verschmolzen werden zu können. Fast alle 
gutgeleiteten Bleihütten Deutschlands sind zu diesem Röstverfahren und damit zu der 
sog. Köstreduktionsarbeit übergegangen. #uch beim Bau der Schachtöfen für das Reduk-- 
tionsschmelzen ist man zuerst in Freiberg (Pilz) dazu übergegangen, die der zerstörenden 
Wirkung der Schmelzprodukte am meisten ausgesetzten Teile der Schachtmauern durch 
doppelwandige, mit Wasser kühlbare Eisenblechkörper „Wassermäntel“ zu ersetzen, deren 
Höhe man in der Neuzeit auf etwa ein Drittel des ganzen Ofenschachtes ausgedehnt hat. 
Die Verbesserungen im Röstbetriebe haben auch die Lösung der Rauchschadenfrage 
der Bleihüttenwerke wesentlich erleichtert. Wo nicht der Boden der Umgebung seit 
Jahrhunderten vergiftet ist, wird man in Zukunft auch in der Umgebung der Bleihütten 
wieder Vegetation aufkommen sehen. Was aber am wichtigsten ist, die furchtbare Blei- 
krankheit, unter der die Hüttenarbeiter so lange und schwer gelitten haben, ist erheblich 
zurückgegangen und wird auch weiter mit Erfolg bekämpft durch die tatkräftigen Be- 
strebungen W. AMertons (Frankfurt) zur Verbesserung des Gesundhbeitszustandes der 
Hüttenarbeiter. 
  
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