Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bergbau und Hüttenwesen. 93 
  
Der Stahlwerksverband wurde im Jahre 1912 jedoch nur für Schienen, Schwellen, 
Formeisen und Halbzeug, den sog. A-Produkten, erneuert; die Höhe der Erzeugung 
in den übrigen Fabrikaten, den Produkten B, ist, sofern nicht durch Sonderverträge 
gebunden, völlig unbeschränkt. Dagegen wurde für die gesamte Erzeugung an Roh- 
eisen seit 1911 wieder eine gemeinsame Verkaufsorganisation geschaffen. Für den Osten 
Deutschlands ist die im Zahre 1898 begründete Oberschlesische Kohlenkonvention von 
derselben Bedeutung wie das Kohlensondikat für den Westen. Auch im Braunkohlen-- 
bergbau fanden ähnliche Zusammenschlüsse statt, denen es zu verdanken ist, daß die Ein- 
fuhr der böhmischen Braunkohle, die im Jahre 1890 noch 25% des Verbrauchs betrug, 
auf 9,6% im ZJahre 1912 zurückgegangen ist. Im Kalibergbau hat eine kurze vertrags- 
lose Zeit im Jahre 1909, in welcher durch langfristige Verträge große Mengen Kali- 
salze zu billigem Preise dem Ausland gesichert wurden, zu tatkräftigem Eingreifen 
der Regierung und dann zu dem Gesetz vom 25. Mai 1910 geführt, das einer weiteren 
Verschleuderung dieses wertvollen Produktes vorbeugt. 
Die Wirkungen dieser Zusammenschlüsse in der Montanindustrie waren durchweg 
günstig. Dem Unternehmer sichern sie einen stetigen Gewinn, der Abnehmer ist durch 
sie vor Preistreibereien geschützt, was ihm eine zuverlässige Kalkulation ermöglicht. Dem 
Arbeiter bringen die Verbände die Vorteile höherer Löhne und einer gleichmäßigen 
Beschäftigung. 
In der Förderung wissenschaftlicher und technischer Fragen spielen die bergbaulichen 
Interessenvereine, welche die einzelnen geographischen Bezirke umfassen, sowie der Verein 
deutscher Eisenhüttenleute mit ihren gutgeleiteten Zeitschriften „Glückauf“ und „Stahl 
und Eisen“ eine hervorragende Rolle. Hierzu hat sich in neuester Zeit noch der Verein 
Deutscher Metallhütten- und Bergleute mit seinem Organ „Metall und Erz“ gesellt. 
S#Nch die Einzelstaaten, vornehmlich aber Preußen, haben sich ihrerseits durch Be- 
gründung von neuen und Weiterausgestaltung der vorhandenen technischen Hochschulen 
und Bergakademien, durch Errichtung von Materialprüfungsanstalten um die För- 
derung der wissenschaftlichen Erkenntnis hohe Verdienste erworben. Von besonderer 
Bedeutung ist die bergwirtschaftliche Aufnahme des Deutschen Reiches, an der sich sämt- 
liche deutsche Staaten beteiligen. Sie wird in wenigen Jahren vollendet sein und ein 
vollständiges Bild der im Deutschen Reiche vorhandenen Mineralienschätze ergeben. 
In wohl einzig dastehender Weise haben die Werke der deutschen Montanindustrie 
für das Wohl ihrer Arbeiter und deren Angehörigen bei Unfällen, Krankheit, Invalidität 
und Tod gesorgt, auf welchem Gebiet die Firma Krupp bahnbrechend vorgegangen ist. 
Die meisten Werke begnügen sich in dieser Richtung nicht mit den vom Gesetze vorgeschrie- 
benen Lasten, sondern treiben darüber hinaus praktische Sozialpolitik. 
  
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