Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

Die Maschinen-Industrie 
Von Dr. Ing. Heinel, Professor an der Kgl. Technischen Hochschule Breslau 
Stand der Maschinen-Zndustrie Der Stand der Maschinen-Industrie um 
um 1888. 1888 kennzeichnet sich in kurzen Zügen so: Gute, 
— aber im Vergleich zu den heutigen Maschinen 
bedeutend leichtere Werkzeugmaschinen ermöglichten genaue Herstellung der Maschinen- 
Einzelteile, der Zeitaufwand war aber groß, weil der noch leichte Bau der Werkzeug- 
maschinen und die Qualität des Werkzeugstahles das Abheben großer Späne und die An- 
wendung großer Schnittgeschwindigkeiten erschwerte. Der Zusammenbau der Maschinen 
erforderte sehr geschickte und sorgfältige Paßarbeit, großen Zeitaufwand und häufig Er- 
satz von nichtpassenden Teilen. Die Arbeiter der Maschinen-Industrie waren gut ge- 
schult und mußten es sein, weil die Handhabung der Meßwerkzeuge und die Einstellung 
der Maschinen große Sorgfalt erforderte. Diese Zeit hat uns die geistig hochstehende 
Arbeiterschaft in der Maschinen-Industrie herangezogen, von der eine, auf den Nachwuchs 
aufs günstigste wirkende Uberlieferung bezüglich der Ausbildung ausging. 
Die Maschinen waren nach den Regeln der, einige Zeit vorher auf Grund von sorg- 
fältigen Versuchen und Ableitungen aufgebauten Mechanik und Festigkeitslehre in allen 
Einzelheiten gut durchkonstruiert, jedoch machte sich in vielen Fällen die geringe 
Berücksichtigung der elastischen Formänderungen störend bemerkbar. Bei den Teilen 
der größeren Maschinen war die Einzelanfertigung die Regel, und es wurde deshalb 
auch bei der Konstruktion noch wenig Bedacht genommen auf die Verwendung normaler 
vorgearbeiteter Massenteile. 
Die Leistungen der Maschinen waren der Größe nach schon sehr bedeutend, es 
wäre aber ein Wagnis und in vielen größeren Werkstätten unmöglich gewesen, Maschinen 
von der heutigen Größe zu bauen. Die heute als Zdeal angestrebte rotierende rasch- 
laufende Maschine war damals nur durch die Dynamo, bezw. den Elektromotor, die 
Wasserturbinen und einige untergeordnete Maschinen mit kleiner Leistung und geringem 
Druck (Ventilatoren, Fliehkraftpumpen) vertreten. 
Die Vorbildung der jungen Ingenieure war sorgfältig, litt aber erheblich unter 
der Trennung der theoretischen Betrachtung der Maschinen von der konstruktiven Be- 
rechnung und Formgebung. Es bedurfte langer Arbeit in der Prazxis, um zwischen 
beiden die Brücke zu schlagen. 
Eine ganze Reihe von Maschinengattungen (Werkzeug-, landwirtschaftliche, Textil- 
und andere Maschinen) entbehrten noch mehr wie heute der Hand des wissenschaftlich 
  
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