VI. Buch. Die Maschinen· Industrie. 95
gebildeten Konstrukteurs, sie waren dem Aur-Praktiker ausgeliefert und konnten sich
deshalb nur langsam und nicht ohne viele Fehlversuche entwickeln.
Damals wie heute schien es dem ernsthaft in die Zukunft blickenden Ingenieur
möglich, weitere Fortschritte im Maschinenbau zu erringen, aber nur schrittweise, mit
großem Energieaufwand. Die Entwicklung aber hat seine optimistischen Hoffnungen
weit übertroffen, denn ihre Kurve ist eher steiler als flacher geworden. Ein Ingenieur,
der heute 5 Jahre lang auf einer Entwicklungsstufe seines eignen Sondergebietes stehen
bleiben wollte, würde nach dieser Zeit im Wettbewerb nicht mehr erfolgreich sein. Ein
Hochschullehrer, der nicht mindestens auf einem Gebiete versucht, Führer der indu-
striellen Entwicklung zu sein, wird bald seinen Ruf als Autorität verlieren. Es genügt
für ihn nicht, zu sehen und zu sammeln, sondern es gilt mitzuarbeiten und womöglich
vorzuarbeiten, Wege zu zeigen und zu ebnen. Das letztere aber erfordert, daß die prak-
tische Ausführung einer Idee im Konstruktionssaal des Hochschullehrers bis in die klein-
sten Einzelheiten überdacht wird, denn gerade in diesen liegt die größere Masse der noch
zu lösenden wissenschaftlichen Aufgaben.
Anstoß und Hilfsmittel Den Anstoß und die Hilfs mittel zu ihrer mächtigen
zur Entfaltung. Entfaltung in den letzten 25 Jahren bekam die Ma-
schinen-Industrie aus verschiedenen Quellen. Man kann
zwei Hauptmomente unterscheiden: Die durch die Veränderungen in der menschlichen Ge-
sellschaft geschaffenen Bedürfnisse, deren Befriedigung erst nach ihrem Auftreten mit Hilfe
der Maschinen-Industrie versucht und gefunden wird. Zweitens die, durch eine hervor-
ragende, in industrielle Berwertung umsetzbare Idee geschaffene Möglichkeit, Bedürf-
nisse, die in ihren Anzeichen vorhanden, aber wegen ihrer bisherigen Unerfüllbarkeit
übersehen oder zurückgesetzt waren, in weitgehender Weise an die Oberfläche zu bringen
und zu befriedigen.
Einen Vorsprung in der Erkenntnis des Kommenden hat derjenige, der wirtschaft-
liche Ermittelungen anzustellen und ihre Konsequenzen zu übersehen vermag. Mißlich
ist, wenn der Anstoß vom Ausland kommen muß, beschämend und von schweren wirt-
schaftlichen Nachteilen begleitet, wenn wir jahrelang die Notwendigkeit, dem Beispiel
des Auslandes zu folgen, verkennen, wie es um 1890 noch im Werkzeugmaschinenbau
der Fall war.
Oie Hilfsmittel, derer sich die Maschinen-Industrie in dem bewundernswerten
Aufschwung der letzten 25 ZJahre bedienen konnte, waren trotz einiger Jahre wirtschaft-
licher Hemmungen reichlich und vielseitig. Die Verfeinerung der Eisen- und Stahl-
arten und der Maschinenbau-Metallegierungen, der Ausbau der theoretischen Erwägun-
gen und Berechnungen auf Grund umfassender und gründlicher Versuche, die, durch die
Steigerung des Maschinen-Umsatzes vermehrte Gelegenheit zum Sammeln und Sichten
praktischer Erfahrungen, die fortschreitende Fürsorge für die Ausbildung der Arbeiter,
Werkmeister, Techniker und Ingenieure, die Anpassung der kaufmännischen Verwaltung
an die Technik und der Technik an die kaufmännischen Notwendigkeiten, der Schutz der
heimischen Erzeugnisse gegen ungesunden Wettbewerb der Auslandserzeugnisse, der
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