Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Maschinen-Industrie. 101 
  
sich nicht nur in bezug auf Maschinenteile, sondern auch binsichtlich der Maschinen- 
tppen auf Massenherstellung einzurichten. Bei uns mußte erst das Bedürfnis nach 
einer größeren Zahl von Maschinen gleicher Type eintreten und namentlich erst eine 
nennenswerte Ausfuhr ins Ausland erreicht werden, ehe wir uns in gleicher Weise 
einrichten konnten. Aber wir hätten wenigstens sehr viel früher die Verwendung mög- 
lichst vieler Maschinenteile gleicher Art und Größe bei unseren Maschinen anstreben 
können. Darauf war damals der Konstrukteur noch gar zu wenig erzogen. Heute 
haben wir auch diesen Fehler zum größten Teile abgelegt. Wir bauen deshalb, wieder 
angeregt durch die Amerikaner, Automaten, welche lleinere Maschinenteile aus dem 
Koh- oder Halbfabrikat genau nach Maß in Massen herstellen, wobei die Einwirkung 
des A#rbeiters sich auf das einmalige Einstellen bestimmter Maße und Arbeitsgeschwin- 
bigkeiten beschränkt. 
Alle diese Aufgaben erforderten die angestrengteste Arbeit des wissenschaftlich vor- 
gebildeten Ingenieurs. So ist denn auch an den technischen Hochschulen an die Stelle 
des Lehrstuhles für lediglich beschreibende Technologie der Lehrstuhl für Herstellungs- 
verfahren und Werkzeugmaschinen getreten, ausgestattet mit Lehr- und Forschunge- 
Laboratorien. 
GSießerei. In der Gießerei gehören die Formmaschinen, die Preßluft-Werkzeuge, 
das Sandstrahlgebläse zum Gußputzen, die Entstaubungsanlagen an den 
Form- und Putztischen und eine weitgehende Ausrüstung mit Dreh- und Fahrkranen 
zu den modernen Forderungen. Die Gußstücke sind zum Teil größer, zum Teil infolge 
der Massenerzeugung zahlreicher und gleichartiger geworden, die Furcht vor der Her- 
stellung komplizierter Gußstücke ist geschwunden, der Formmeister macht, unterstützt 
durch den Modelltischler, fast jede verlangte Form. Die Formmaschinen ermöglichen so 
genaue Arbeit, daß wir sogar Zahnräder mit fertig gegossenen gekrümmten Zahn- 
formen ohne Nacharbeit an den Zähnen mit verhältnismäßig großer Geschwindigkeit 
laufen lassen. 
Kesselschmiede, Eisenbau. In der Kesselschmiede und im Eisenbau sind 
neu die Ausrüstung mit Preßluftwerkzeugen zum 
Bohren, Aufreiben, Nieten, Verstemmen, die Vorrichtung zum Schneiden mit der 
Stichflamme und zum Schweißen mit der Gebläseflamme durch eine Art von Schmelze 
unter Verhinderung der Ozpdation (autogenes Schweißen). Die Schmiede ist 
mehr als früher mit Schmiedehämmern, die den verschiedenen Schmiedearbeiten 
angepaßt sind, ausgestattet, das Schmieden im Gesenk und die Schmiedepresse haben an 
Bedeutung zugenommen wegen der Anpassung an die Massenerzeugung. 
Diese Fortschritte in den Werkstätten der Maschinen-Zndustrie und die hierdurch 
erzielten Ersparnisse ermöglichen die Deckung der von Jahr zu Jahr wachsenden Kosten 
der gesetzlichen und freiwilligen Fürsorge für ihre Arbeiter und Beamten, ohne 
die deutsche Industrie im Wettbewerb mit dem, durch solche Ausgaben noch kaum be- 
lasteten Ausland zu behindern. 
  
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