120 Die Elektrizitäts-Industrie. VI. Buch.
ganz außergewöhnlich schnelle gewesen, so daß dort Riesenfernsprechämter gebaut werden
mußten. Das größte derselben befindet sich in Hamburg mit einer Aufnahme von 80 000
Leitungen. Um den Bedürfnissen entsprechen zu können, ist man in den letzten Zahren
vielfach zu der Anwendung des automatischen Sostems übergegangen. Oie Oberlei-
tungen sind in den Städten ganz verschwunden und durch Kabel ersetzt worden. Welchen
Anteil der Fernsprecher und der Telegraph an den durch die Post beförderten Mittei-
lungen hat, erkennt man daraus, daß im Zahre 1909 von allen beförderten Mitteilungen
ca. 74% ) durch die Briefpost, ca. 25% durch den Fernsprecher und ca. 1%0 durch den
Telegraphen befördert wurden.
Der Fernsprecher hat sich außer für öffentliche Zwecke auch sehr stark in privaten
Anlagen eingebürgert und wird dort jetzt in weitem Umfange verwendet. Ein Bild,
welche Bedeutung er für Industrie, Handel und Gewerbe im inneren Berkehr besitzt,
ergibt sich daraus, daß zurzeit ungefähr zweimal mehr Telephonapparate für privaten
Gebrauch in Deutschland hergestellt werden als für den Anschluß an die staatlichen Fern-
sprechanlagen.
Weitere recht wichtige Gebiete der Fernmeldetechnik sind die elektrischen Signal-
anlagen, welche im Betriebe der Eisenbahnen, für die Zwecke der Feuermeldung, in
Gruben und ähnlichen Anlagen vielfach verwendet werden. Ebenso fallen hierunter die
Klingelanlagen, die heute kaum in einem Hause fehlen.
Obwohl schon vor 1888 elektrische Maschinen ge-
baut worden sind, so kann man doch den Beginn
des eigentlichen Aufschwunges erst in diese Zeit
Bau von Maschinen, Appa-
raten und Ahnlichem.
verlegen.
Erst nach Schaffung einer guten theoretischen Grundlage war es der Industrie mög-
lich, marktfähige Produkte zu liefern. Die Entwicklung setzte dann aber auch sehr
rasch ein. Während noch im Jahre 1893 das Gewicht eines 10 pferdigen Gleichstrom-
motors für 1000 Umdrehungen 900 kg betrug, ist dasselbe jetzt auf ungefähr 300 kg
heruntergegangen. Ee ist einleuchtend, daß es dadurch auch möglich gewesen ist, die Preise
wesentlich herunterzusetzen, zumal auch bei dem eingetretenen Massenbedarf die Herstellung
sich wesentlich verbilligen ließ. Durch Vervollkommnung der Konstruktion und des Baues
der Maschinen ist es gelungen, die Preise derselben so weit zu ermäßigen, daß ein großer
Konsum in diesen Maschinen eintrat. Die Leistungsfähigkeit der Elektrotechnik in bezug
auf die größten herstellbaren Maschinen ist naturgemäß immer mehr gestiegen, so daß
es jetzt möglich ist, Seneratoren von 30 000 kVA Motoren von 25 000 PS und Transfor-
matoren von 15 000 kVX herzustellen. Während man anfangs zaghaft mit geringen Span-
nungen arbeitete, ist es heute möglich, 150 000 Volt sicher zu beherrschen. Für Prüf-
zwecke ist man sogar jetzt bis zu Spannungen von 1 000 000 Volt gegangen.
In gleichem Maße, wie die Verwendungemöglichkeit und die Größe der Maschinen
gestiegen ist, war es notwendig, die für die Messung und Schaltung benötigten
1) Archiv für Post und Telegraphie 1912, Seite 646.
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