136 Oie chemische Industrie. VI. Buch-
Da sie weder die Reaktionstürme von Glover und Gay--Lussac noch die teuren
Bleikammern mit vielen Apparaturen und Gebäuden, noch teure Konzentrationsvor-
richtungen benötigt, Arbeitskräfte erspart und außerdem ein hochwertiges Produkt
liefert, welches nach dem Kammerverfahren überhaupt nicht zu erhalten ist, endlich
nur den dritten Teil der englischen Schwefelsäure bei der Herstellung kostet, so hat
sie alle Aussicht, die englische Schwefelsäure zu verdrängen.
Die Kontaktsäure hat ferner den Vorteil, daß sie vollständig arsenfrei ist. Das
Kontaktverfahren bedingt nämlich, daß die schweflige Säure, welche aus den Ppritöfen
kommt, frei von Arsen ist, weil die Kontaktsubstanz (Platin) bei Gegenwart von Arsen
nicht funktioniert. Englische Schwefelsäure ist aber, falls sie nicht aus arsenfreiem
Schwefel hergestellt wird, immer arsenhaltig, denn die Ppyrite enthalten stets Arsen;
bie fertige Säure ist nur durch umständliche teure Verfahren davon zu befreien.
Die Hauptverwendung der rauchenden Schwefelsäure findet in den Fabriken von
Teerfarbstoffen, Sprengstoffen und Ceresin statt.
Endlich sei hier noch von der Schwefelsäure im allgemeinen gesagt, daß sie wegen
ihres niedrigen Preises keine großen Frachten vertragen kann und daher von und nach
dem Auslande hin kein bedeutender Handelsartikel ist. Dieses ergibt sich auch aus dem
Umstande, daß die Einfuhr heute die Ausfuhr kaum um 2000 Tonnen übersteigt. Vor
25 ZJahren überwog die Einfuhr die Ausfuhr noch um etwa 7000 Tonnen.
Die Fabrikation von Salzsäure und Salpetersäure beruht heute noch immer im
wesentlichen auf den alten Verfahren der Zersetzung von Chlornatrium und Natrium-
nitrat (Thilesalpeter) durch konzentrierte Schwefelsäure; es sind jedoch in dem letzten
MBierteljahrhundert ganz gewaltige Fortschritte in den Produktionsmengen und neue
Verfahren zur Herstellung dieser überaus wichtigen Produkte zu verzeichnen.
Salzsäure. Die heutige Produktion der Salzsäure in Deutschland wird auf
— — 500000 t einer 30prozentigen Ware geschätzt (gegen 150000 t vor
25 Jahren). Diese Menge wird auch im Lande verbraucht, da Einfuhr und Ausfuhr
sich die Wage halten. Die Salzsäure stammt, wie seit der Erfindung des Sodaprozesses
von Leblanc vor etwa 100 Zahren, aus diesem Verfahren, welches auf der Einwirkung von
Schwefelsäure auf Kochsalz oder Steinsalz besteht. Das Hauptprodukt ist das zur Soda-
fabrikation verwendete Sulfat (schwefelsaures Natrium), welches außerdem in der
Glasfabrikation, in der Färberei und auch sonst vielfach Anwendung findet.
Die Leblanc-Sodafabrikation ist jedoch schon seit längerer Zeit durch die mehr und
mehr aufkommende Ammoniaksodafabrikation bedrängt. Von den vor einem Viertel-
jahrhundert noch bestehenden etwa 20 Leblanc-Sodafabriken sind 15 eingegangen.
Aber auch in ihrer Verwendung wird die Salzsäure insofern bedroht, als das Chlor,
zu dessen Herstellung sie früher erforderlich war, immer mehr und mehr auf elektro-
lptischem Wege gewonnen wird.
Aus allen diesen Gründen ist in die Produktion der Salzsäure zeitweise eine gewisse Be-
unruhigung hineingekommen, welche in erheblichen Preisschwankungen zum Ausdruck kam.
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