Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
158 Cextilindustrie. VI. Buch. 
  
Kohmaterial von Wichtigkeit ist, stellt die Schüttelmaschine dar, die ihre Entwickelung 
deutschen Erfindern verdankt. Die Karden sind durch die automatischen Speiseapparate 
und durch die Einführung der Hechelfelder mit Kettenführung und mit schiebenden 
Hechelstäben verbessert worden. Die Strecken- und Vorspinnmaschinen sind in bezug 
auf ihre Leistungsfähigkeit vervollkommnet worden. Bei den Feinspinnmaschinen sind 
mit Erfolg viele Versuche gemacht worden, die Lagerung und Schmierung der Spindeln 
zu verbessern, dagegen ist man in Bezug auf den Bau der Spindeln selbst immer wieder 
zur alten Flügelspindel zurückgekehrt. Bielleicht gelingt es aber der Flügelspindel der 
Fi#ma Sendel K Co. in Bielefeld, die in einer einzigen, das Hals- und Fußlager zugleich 
bildenden, mit Ol gefüllten Hülse gelagert ist, sich einzubürgern. Hinzuweisen wäre 
auch noch auf die Erfindung der Firma M. Schlumberger & Co. in Gebweiler, die be- 
rufen erscheint, eine vorteilhaftere Verarbeitung der kürzeren Heden zu ermöglichen. 
Bei den Vorbereitungsmaschinen der Leinenweberei sind die Fortschritte 
der Baumwollweberei nutzbar gemacht worden. In der Leineninduftrie hat sich die 
Handweberei recht lange gehalten. Das liegt daran, daß das spröde Material eine 
vorsichtige Behandlung erforderlich macht. Es bedurfte erst besonders sorgfältiger Kon- 
struktionen, bevor der mechanische Webstuhl sich einführen konnte. Die Taschentuch-- 
weberei, bei der teilweise sehr feine Garne zur Verarbeitung kommen, widerstand am 
längsten dem mechanischen Webstuhl. Aber heute ist auch dieses Gebiet erobert. Von 
Wichtigkeit für die Leinenweberei sind die Vorrichtungen zum Mustern, also die Schaft- 
und Jacquardmaschinen. Hier hat der Maschinenbau unter deutschem Einfluß sehr sinn- 
reiche Verbesserungen zutage gefördert. Zu erinnern wäre an die vielen Vorkehrungen 
zur Verminderung der Kartenzahl und zur Verbilligung des Kartenmaterials. Bei 
den Schaftmaschinen hat die hölzerne Stiftkarte und bei den Facquardmaschinen die 
Verdolmaschine, die mit Papierkarten arbeitet, den Sieg errungen. Mit den Jacquard- 
maschinen hängen die Kartenbindemaschinen und die mechanischen Kartenschlag- und 
Kopiermaschinen eng zusammen. Zu den Kartenspareinrichtungen ist ferner die mecha- 
nische Damastmaschine zu rechnen, die das bei der Handweberei übliche Kreuzfach, das 
ein langsames Alrbeiten bedingt, beseitigt hat. 
Bei der Appretur der leinenen Waren ist es gelungen, die schwerfälligen und 
teuren Kastenmangeln durch hoydraulische Mangeln, die auch wenige Bedienung be- 
nötigen, zu ersetzen. Solche Maschinen mit einem Drei- oder Vierkaulenrevolver werden 
vorbildlich den Firmen Weisbach in Chemnitz und Gebauer in Charlottenburg gebaut 
und sind in der ganzen Welt berühmt. Die Beetle-Maschinen haben sich zur Milderung 
des beim Kalandern entstehenden Speckglanzes immer mehr eingeführt und sind wesent- 
lich verbessert worden, so z. B. durch die TChasing-Einrichtung. 
Wollindustrie. Die deutsche Wollindustrie hatte lange Zeit und teilweise 
noch heute mit dem Vorurteil zu kämpfen, daß sie Hinsichtlich 
der Qualität der Waren nicht so leistungsfähig sei wie die englische. Richtig ist bierbei, 
daß in England allerdings einige vorzügliche Wollsorten gezüchtigt werden, die dem 
Auslande nur in beschränktem Umfange zur Verfügung stehen. Im übrigen ist aber 
  
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