Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
160 Cextilindustrie. VI. Buch. 
  
schichte der deutschen Technik dar. Es sei nur erinnert an die Florteiler von Schellen- 
berg, die von Geßner verbessert wurden, an die Einführung der Nitschelhosen, die bald 
auf vier und sechs vermehrt wurden, an das Zweipeigneur-Soystem, an die selbsttätigen 
Beschickungsapparate, an die Pelzbrecher, an die automatischen Bandübertragungs- 
vorrichtungen von Krempel zu Krempel usw. Dank diesen Einrichtungen ist die Leistungs- 
fähigkeit der Krempeln um das ODreifache vermehrt und doch die Zahl der Bedienungs- 
kräfte vermindert worden. Auch der Selfaktor ist durch deutschen Fleiß zu einer Maschine 
entwickelt worden, vor der der Laie jedesmal vor Bewunderung stillsteht, wenn er sieht, 
wie sinnreich die vielen Mechanismen ineinandergreifen, um die einzelnen Arbeits- 
vorgänge auszuführen. 
AMit dem Bau der Tuch- und Buckskinwebstühle haben sich hauptsächlich die 
Sächsische Webstuhlfabrik, die Sächsische Maschinenfabrik in Chemnitz und die Großen- 
hainer Webstuhlfabrik in Großenhain beschäftigt und alle Einzelheiten so sorgfältig aus- 
gestaltet, daß ihre Fabrikate nahezu konkurrenzlos sind. Laden- und Schäftebewegung, 
Schlag und Schützenwechsel sind so verbessert worden, daß die Stühle, die früher nur 
50 Schuß in der Minute machten, heute 110 ausführen. Die Vorbereitungsmaschinen 
liefert heute in erster Linie die Firma Gebr. Sucker in Grünberg. Auf dem Gebiete 
der Teppichweberei sind viele Neuerungen in der Herstellung der Vorware für Azrminster- 
teppiche, in der Moquettefabrikation, beim Drucken der Florketten und für die mecha- 
nische Herstellung von Knüpfteppichen zu verzeichnen. Als AUnterschuß für Teppiche 
spielen die Zellstoffgarne eine Rolle. Sie werden aus dem Zellstoff des Holzes 
gewonnen. 
Bei den Appreturmaschinen für Wolle wären zu erwähnen: Die elektrische 
Tuchwaschmaschine, die aber noch Mängel aufweist, die Absaugemaschinen, die eine 
neue Odee für die Entfeuchtung der Ware darstellen und die die Zentrifugen verdrängen, 
die Kratzenrauhmaschine, die die Maschinen mit natürlichen Karden hinsichtlich der 
leichten Abstufung des Rauheffekts übertreffen, aber nicht für alle Stoffgattungen 
anwendbar sind, die Naßdekatur, die einen Glanz gibt, der durch den nachfolgenden 
Farbprozeß unwesentlich verändert wird und die zugleich eine Art Nachreinigung 
der Ware zur Folge hat, die Verbesserungen an den Trockenmaschinen, sei es in 
bezug auf die Vorrichtungen zum Einführen der Gewebe, sei es in bezug auf den 
Trockenprozeß, die Anderungen der alten Spanpresse, die sich in verbessertem Zu- 
stande wieder einbürgert, endlich die Finish- und die Plattendekaturmaschine, die beide 
durchaus krumpffreie Ware mit tropf- und bügelechtem Glanz liefern. 
Noch länger als die Leinenindustrie hat die Seidenindustrie 
dem Eindringen der mechanischen Weberei widerstanden, aber 
auch hier geht es mit dem Handwebstuhl schnell bergab. Während es z. B. in Krefeld 
in den 80er Jahren noch 17 000 Handstühle gab, waren es im Jahre 1912 nur noch 
1900. Einige Hundert werden sich aber wohl dauernd behaupten, sie sind für schwie- 
rige Artikel, wie Paramenten, Seidenbilder, allerbeste Qualitäten des Samts, der 
Futter- und Schirmstoffe unentbehrlich. Eigenartig liegen die Berhältnisse in der 
Seidenindustrie. 
  
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