170 Steine und Erden. VI. Buch.
Gruben unter reicher Wasserzufuhr völlig ablöscht und zum Nachlöschen eine Zeitlang stehen
läßt. Denn trocken gelöschter Kalk behält leicht ungelöschte, späterhin sehr störend wirkende
Partikelchen. Als magernder Füllstoff werden dem Mörtel körnige Mineraltrümmer zu-
gesetzt, auch Glimmer, damit die hier und da blinkenden Glimmerblättchen dem Auge
ein erfreuliches Bild geben. Alsdann wird noch Farbe zugeschlagen. Die Farben dürfen
nur mineralischer Natur sein und durch #tzkalk nicht in störendem Maße angegriffen
werden. Im Handel erscheinen die Mörtel fertig gemischt als sogenannte Trockenmörtel,
die ohne weiteres verwendbar sind, wenn man sie mit Wasser anrührt. Der Kalk in dem
Trockenmörtel ist aus eingesumpftem Kalk dadurch gewonnen, daß man diesen nach
längerem Lagern durch Wärmezufuhr getrocknet und feingemahlen hat.
Man kann sagen, daß der Gebrauch dieser Mörtel die Rückkehr zu einfachen, edlen,
schönen Formen der Alrchitektur ermöglicht hat. Dadurch, daß man den an und für sich
schon körnigen Putz scharriert oder stockt oder irgendwie bearbeitet, schafft man angenehme
Linien, an denen das Auge lieber haftet als an glatten Flächen. Die Stuckverzierungen
an der Fassade können jetzt fortfallen. Die Fassade wird einfach gehalten. Nur einzelne
schöne Erker und Balkone springen hervor. Wird dazu noch das DHach etwas gegliedert,
dann erhält man wunderbare, mächtig wirkende Architekturbilder. Wer die neue Bau-
kunst in Deutschlands Hauptstadt bewundern will, hat reichlich Gelegenheit. Sie sticht
vorteilhaft ab von den mit Stuck beladenen alten Fassaden, die unter dem gebräuchlichen
faden Olanstrich unnatürlich wirken, und bei denen noch der weit größere Fehler besteht,
daß sie verwirren, weil der Stil der Zieraten von Stockwerk zu Stockwerk unvermittelt
variiert.
Das Ziel, große Flächen nicht durch Handarbeit, sondern unter Heranziehung billigerer
Maschinenkraft mit Mörtel zu bewerfen, ist dadurch verwirklicht worden, daß man die
Preßluft in den Dienst der Putzarbeit stellte. Eine solche Maschinenanlage wird fahr-
bar eingerichtet. Sie besteht aus einer Mörtelmischmaschine, die den Mörtel herrichtet,
einer Mörtelpumpe, der Preßluftanlage und dem Betriebsmotor. Die Pumpe fördert
den Mörtel in einen Schlauch, an dessen Ende eine Düle sitzt. Ein Arbeiter führt die
Düse. Er schreitet langsam vorwärts und läßt den Mörtelstrahl gegen die Wand spritzen.
Die dem Schlauch zugeleitete Preßluft bläst den Mörtelbrei mit einem Druck von 1,5 Atmo-
sphären heraus und führt ihn als Schlammregen an die Wand. Der angespritzte Bewurf
wird von den Putzern in Arbeit genommen. Die Pumpe fördert stündlich 2— chm
Mörtel. Eine Düse liefert in derselben Zeit durchschnittlich 100 m Wandputz. Also
auch hier wird eine ins Großzügige reichende Arbeit geleistet.
In dieses Gebiet fallen auch die Arbeiten
zur Erhaltung wertvoller Steindenk-
mäler in Oeutschland. Die vier schönen Schillingschen Sandsteinfiguren (Morgen,
Mittag, Abend, Nacht) der Brühlschen Terrasse zu Dresden sind jetzt von der Terrasse
entfernt und durch Bronzeabgüsse ersetzt. Die Originalwerke sind an die Stadt Chemnitz
abgegeben, und diese hat es übernommen, die Figuren, welche trotz der im Jahre 1881
aufgebrachten Vergoldung weitere Spuren des Verfalls zeigten, von dem Goldüberzuge
Erhaltung wertvoller Denkmäler.
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