VI. Buch. Steine und Erden. 171
zu befreien und auf anderem Wege zu schützen. Man hat nämlich die Oberfläche der
Figuren mit Fluorverbindungen, sogenannten Keßlerschen Fluaten behandelt und da-
durch einen steinartigen Uberzug flußspatähnlicher Verbindungen geschaffen, welcher
die natürliche Härte und die Widerstandsfähigkeit der Steinkörper erhöhte und zugleich
ihren Farbenton ausglich und hob.
So schwierig auch diese Wiederherstellungsarbeiten waren, erscheint doch die Er-
haltung dieser herrlichen Originale nicht um zu hohen Preis erkauft. Der Erfolg reizt
zu weiterer Anwendung des wichtigen Verfahrens an. Welcher Preis ist zu kostbar,
um das bekannteste Werk gotischer Baukunst, den Kölner Dom, vor dem Zerfall zu be-
wahren? Ein großer Teil des Domes ist aus dem Trachyt des Siebengebirges erbaut.
Schon das frisch gebrochene Gestein zeigt, obwohl es an und für sich als harter, fester
Körper gelten kann, die üble Eigenschaft, daß in ihm verhältnismäßig große Sanidin-
kristalle ausgesondert sind, die sich leicht aus der Einhüllungsmasse des Gesteins ablösen
und unter Hinterlassung sehr glatter Flächen an den Stellen, an denen sie saßen, aus-
springen. Liegen in Gesteinsstücken zufällig mehrere solche Kristalle in unmittelbarer
Nähe zusammen, sind sie voneinander nur durch dünme Schichten der dichten Gesteins-
grundmasse getrennt, dann haben die angreifenden Atmosphärilien ein um so leichteres
Spiel. Zu spät hat man den Fehler des Gesteins erkannt und verwendet jetzt den Trachyt
bei Wiederherstellungsarbeiten nicht wieder. Dem rastlosen Eifer der Baufachleute wird
es gelingen, die alten Bauteile des Domes durch Mittel, die ihnen der Chemiker liefert,
gegen weiteren Zerfall zu schützen. Uber eine Reihe solcher Mittel verfügt die Mörtel-
industrie schon heute.
Zn der Zementindustrie ist als wichtigster Fortschritt der letzten
Zahre die Einführung des Drehofens zum Brennen von Zement
zu verzeichnen. Ein Drehofen ist ein langes, mit feuerfestem Futter ausgekleidetes, etwas ge-
neigt liegendes und ständig gedrehtes Rohr, das in der Regel durch eine Kohlenstaubfeuerung
beheizt ist. Die Rohzementmischung wird in das Rohr eingeführt und in ihm so stark erhitzt,
daß sie dicht zusammensintert. Das den Drehofen verlassende Gut ist fertiger Zement, der nur
noch der feinen Mahlung bedarf. Der erste deutsche und europäische Drehofen ist von C. von
Forell in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu Lollar bei Gießen
erbaut worden. Zetzt ist der Ofen in Deutschland schon sehr verbreitet, und mehrere
bewährte deutsche Ofenbauanstalten beschäftigen sich mit der Errichtung solcher An-
lagen. Das verdient aber auch der Drehofen. Denn während die üblichen Schacht-
und Ringöfen, was den Ofeneinsatz betrifft, eine erhebliche Brenndauer haben und
verlangen, daß das in sie eingesetzte Gut vorher erst in Ziegelform gebracht wird, damit
die Ofenglut es zu durchdringen vermag, was zusammen einen Zeitaufwand von etwa
8—14 Tagen ausmacht, wird dem Drehofen das Gut ungeziegelt übergeben und verläßt
ihn fertig gebrannt schon nach 1—2 Stunden. Es ist dann auch nicht notwendig, große
Lagerplätze für das Stapeln von Rohziegeln zu unterhalten. Der Drehofen leistet seine
Arbeit unabhängig von Wind und Wetter und unabhängig von der Geschicklichkeit und
Zuverlässigkeit einer großen Zahl von Händen. Denn die Natur seines Betriebes bringt
Zementindustrie.
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